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Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx

Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx

Titel: Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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widmeten, und damals schon wusste sie, dass ihre Eltern das Königreich zusammen regierten. Ihr Vater war der Stratege, der Planer, ihre Mutter aber das Kraftwerk, das die Maschinerie antrieb, und das warme, mitfühlende Herz, das ihrem Gatten zum moralischen Kompass geworden war.
    Und dann, kurz vor Adriennes elftem Geburtstag, versagte während des Beschleunigungsmanövers der Trägheitskompensator an Bord der Queen Elizabeth .
    Als es geschah, stand sie unter knapp vierhundert Gravos. Niemand überlebte das Unglück, und das Totenschiff erreichte mehr als neunzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit, bevor ein anderes Schiff auf Abfangvektor gelangen konnte. Bei diesem Tempo stieß die Queen Elizabeth mit einem kleinen Materiebrocken zusammen – spätere Schätzungen ergaben, dass er nicht größer als einige Kubikmeter gewesen sein konnte. Das überlastete Partikelschirmfeld war schon vorher ausgefallen, und es hätte auch bei maximaler Wirkung nichts ausgerichtet. Die Explosion war fast im ganzen Doppelsternsystem Manticore sichtbar, sofern man wusste, wohin man blicken musste.
    Roger II. hatte das gewusst. Er stand auf einem Balkon des Mount Royal Palace und beobachtete den sengenden Blitz, den Scheiterhaufen seiner Frau, ohne eine einzige Träne zu vergießen – und seither hatte er nicht ein Mal geweint.
    Der Mann, der von diesem Balkon zurückkehrte, hatte auch nie mehr gelächelt und weder aus Zorn noch aus Heiterkeit je wieder die Stimme erhoben. Genauso gut hätte er ein Automat sein können, eine Maschine, der nur eines wichtig war: die Funktion der größeren Maschinerie, die sie bediente. Alle Taktiken, die er mit Königin Solange entwickelt hatte, standen ihm zur Verfügung, und er setzte sie ohne jede Rücksicht ein. Mit seiner Frau schien er jedoch auch das Herz verloren zu haben. Er blieb unbedingt gerecht und puritanisch ehrlich, doch in seiner Nähe gab es kein Lachen und keine Freude. Um ihn war kein Platz für Menschlichkeit, weil Menschlichkeit ihn schmerzte. Als Maschine, welche die Maschine bediente, war es für ihn einfacher: Lieber verlor er sich darin, seinen Untertanen eine effiziente Regierung zu bieten, so kalt und verhärtet sie auch war, als dass er riskierte je wieder etwas zu empfinden.
    Das eine Geschöpf aber, das der Automat im ganzen Kosmos am meisten fürchtete, war ein schmächtiges kleines Kind, das gerade die Mutter verloren hatte. Dieses Kind konnte ihn nämlich dazu bringen, doch wieder etwas zu empfinden, und hätte ihn zu seinem Schmerz zurückführen können. Dann hätte der Automat seiner Trauer ins Gesicht sehen müssen. Darum nutzte er seine drängenden Pflichten und das Zeremoniell der Palastetikette als Ausflüchte, um sich vor Adrienne zu verbergen. Er gab ihr Lehrer, die ihr alles beibringen sollten, was sie wissen musste, aber er stieß sie von sich und tat alles, um sie zu brechen und in eine Art Gussform zu quetschen. Sie sollte einst der perfekte automatisierte Nachfolger einer Maschine sein, die einmal ein Mensch gewesen war. Adrienne war seine Erbin, das Ersatzteil für ihn, und er wagte nicht, sie näher an sich heranzulassen, denn dann würde sie gewiss ebenfalls sterben und ihm einmal mehr die gleiche Wunde reißen.
    Das hatte sie damals natürlich noch nicht verstanden. Sie hatte nur bemerkt, dass ihr Vater sie ausgerechnet in dem Moment verließ, als sie ihn am meisten gebraucht hätte. Und weil sie das Kind ihrer Mutter war und ihn so sehr liebte, folgerte sie, dass der Fehler bei ihr liegen müsse und nicht bei ihm – dass sie etwas getan habe, was ihn abstieße.
    An dieser Denkart wäre sie beinahe zugrunde gegangen – und wäre Adrienne nicht Königin Solanges Tochter gewesen, so hätte der Kummer ihr Leben zerstört. Ihre Mutter war sehr liebevoll gewesen, in gleichem Maße aber auch unerschütterlich ehrlich, und diese Qualitäten hatte sie ihrer Tochter vererbt. Adrienne hatte fast zwei T-Jahre benötigt, um zu begreifen, was vorgefallen war – zu erkennen, dass ihr Vater sie wegen des seelischen Schadens von sich drängte, den er beim Tod ihrer Mutter davongetragen hatte, nicht aber wegen ihres Verhaltens oder Wesens. Und sie hatte gesehen, dass die Erkenntnis zumindest in einer Hinsicht zu spät gekommen war: nicht zu spät, um sich zu retten, aber zu spät, um ihrem Vater zu verzeihen.
    Heute begriff sie, was er ihr angetan hatte … und warum. Er war nur deswegen so abgrundtief kalt und hartherzig geworden, weil er sich einmal gestattet

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