Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
durchbrauste, wehrte er sich heftig gegen ihren Griff. Ob er voll Panik davonlaufen und sich verkriechen oder verzweifelt versuchen wollte, Samantha wenigstens körperlich zu erreichen, hätte Honor nicht sagen können … denn er vermochte es nicht mehr auszudrücken. Dann legte sich die furchtbare Panik ein wenig – und wich etwas viel Düstererem. Nimitz schauderte und erschlaffte, drückte sein Gesicht an Honor und jaulte leise, dumpf und klagend.
Bei der Untröstlichkeit, die aus diesem Laut sprach, verkrampfte sich Honors Herz. Sie küsste den Baumkater zwischen die Ohren und drückte ihn fest.
Der Pulserkolben , dachte sie. Dieser verfluchte Hieb mit dem Pulserkolben auf Enki! Mein Gott, was haben sie angerichtet?
Auf diese Frage kannte sie keine Antwort, eines aber wusste sie: Der Hieb, der sein Mittelbecken zerschmettert hatte, war der Grund für die dunkle, unerträgliche Einsamkeit in Nimitz’ Geist. Eine andere Ursache war undenkbar. Der Schreck und das Entsetzen darüber waren nun ungleich stärker. Weder er noch Honor hatten bislang bemerkt, dass dieses Schweigen herrschte, und deshalb war der Schreck nun viel größer, das Entsetzen weit tiefer.
Sie summte ihm begütigend zu und drückte ihn. Honor spürte, wie sich neben ihr Samantha auf die Echtpfoten erhob. Die Baumkatze war von MacGuiness’ Schulter geschossen und zu Nimitz gerannt. Mit Echthänden und Handpfoten strich sie ihm durch das seidige Fell. Honor schmeckte auch ihre Panik, die Nimitz’ Entsetzen gleichkam. Mit aller Kraft versuchte Samantha, sich mit ihm zu verständigen, horchte verzweifelt auf eine Antwort und bettelte um die Rückversicherung, die ihr Gefährte ihr nicht mehr bieten konnte.
Honor schmeckte die Emotionen beider Katzen, und ihre Tränen rannen in Nimitz’ Fell. Wenigstens legte sich nun die erste Panik. Honor atmete tief und erleichtert durch, als sie bemerkte, dass Nimitz trotz allem noch ihre Gefühle spürte und sie die seinen – und Samantha begriff, dass Nimitz nach wie vor ihre Gedanken verstand.
Schon seit langem stritten die Menschen, auf welche Weise sich die telempathischen Baumkatzen verständigten. Eine Theorie besagte, die Katzen seien keine echten Telepathen, eine andere, dass sie gar nicht im menschlichen Sinne des Wortes ›kommunizierten‹, sondern lediglich Untereinheiten in einem frei fließenden, allumfassenden Geflecht unverfälschter Emotionen seien. Dieses Geflecht sei so tiefreichend, dass es letztendlich an die Stelle echter Kommunikation trete.
Seit Honors Link zu Nimitz sich verändert hatte und immer stärker geworden war, wusste sie, dass gewissermaßen beide Ansichten richtig waren. Nie war sie imstande gewesen, Nimitz’ ›Gespräche‹ mit anderen Katzen ›abzuhören‹, aber sie hatte, wenn er mit anderen seiner Art ›sprach‹, ein tiefes, kompliziertes Gewirk aus ineinander fließenden Gedanken und Gefühlen gespürt. Nachdem er und Samantha Gefährten geworden waren, konnte Honor ihre Verständigung weitaus genauer beobachten und hatte eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht. Die beiden hatten sich so eng verbunden, dass sie in vielerlei Hinsicht fast wie ein einziges Individuum waren: Sie standen einander so nahe, dass sie sich oft austauschten, ohne dazu eigens Gedanken formulieren zu müssen. Dennoch hatte Honor aus ihren Beobachtungen sowohl der beiden als auch ihrer Verständigung mit anderen Baumkatzen den Schluss gezogen, dass diese Spezies im Allgemeinen eher komplexe, vernunftbasierte Konzepte austauschte – was man letztlich nur als zielgerichtete Kommunikation bezeichnen konnte. Bis zu diesem schrecklichen Augenblick jedoch hatte sie nie mit Sicherheit sagen können, ob dieser Austausch auf mehr als einem Kanal erfolgte. Nun wusste sie es besser, denn Samantha konnte Nimitz’ Gefühle noch immer ›hören‹ und ›schmecken‹ – doch leider war das auch schon alles. Das vielfältige und vielschichtige Gespinst, das sie vereint hatte, war misshandelt und zerschlagen, war seiner Fülle zur Hälfte beraubt und zu unnatürlicher Stille verflucht worden. Während die Baumkatzen noch darum rangen, das volle Ausmaß ihres Verlustes zu begreifen, bedauerte Honor schon den schweren Schlag, der ihre Freunde getroffen hatte.
Wie konnten wir das nur während unseres Aufenthaltes auf Hell übersehen? So lange Zeit, und wir haben nichts geahnt …
Doch dann verstand sie und keuchte auf. Natürlich! Ihr Link zu Nimitz lief über den empathischen Sinn des Katers. Den
Weitere Kostenlose Bücher