Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
vor ihr fürchtete (obwohl das bei einigen durchaus der Fall war), sondern weil niemand, der nicht komplett den Verstand verloren hatte, in diesem Ton mit Robert Stanton Pierre und Oscar Saint-Just sprach.
Pierre spürte, wie sich seine Mundwinkel zu einem Grinsen zu verziehen drohten – oder war es doch eher ein Zähnefletschen? Neun Menschen saßen am Tisch, Saint-Just und ihn eingeschlossen, der eiserne Kern der einflussreichsten Machtgruppe in der gesamten Volksrepublik. Nach mehr als acht T-Jahren konnte sich das Komitee für Öffentliche Sicherheit noch immer einer Stärke von sechsundzwanzig Mitgliedern rühmen; das waren fast dreißig Prozent seiner ursprünglichen Kopfzahl. Mit dieser Feststellung sagte man natürlich auch zugleich aus, dass es um mehr als siebzig Prozent reduziert worden war. Wenn man die Neuernennungen mit einrechnete, die zum Ersatz jener Mitglieder nötig gewesen waren, die während diverser Säuberungen, interner Machtkämpfe und anderer Unannehmlichkeiten verschwunden waren, kam man bei den Komiteeangehörigen (einschließlich der Ersatzleute, die ersetzt werden mussten) auf eine Verlustrate von weit über zweihundert Prozent. Von den siebenundachtzig Gründungsmitgliedern blieben nur Pierre selbst, Saint-Just, Andrea Downey und Henri DuPres übrig; die beiden Letzteren waren allerdings nicht viel mehr als eingeschüchterte Platzhalter. Von den gegenwärtig sechsundzwanzig Komiteeangehörigen zählten eigentlich nur die neun an diesem Tisch.
Und sechs davon sind derart verängstigt, dass sie ohne meine Erlaubnis nicht zu atmen wagen. Meine und Oscars Erlaubnis, muss man wohl sagen. Lange Zeit haben wir diesen Zustand für wünschenswert gehalten. Diese Leute schmieden zwar keine Pläne mehr, um mich zu stürzen … aber ich hätte nicht gedacht, dass sie sich als derart nutzlos erweisen, wenn es mal wirklich schwierig wird.
Von McQueen wird das zumindest niemals jemand behaupten können – ob zum Glück oder leider, das ist wohl eine Frage des Standpunkts.
»Ich begreife Ihren … Verdruss, Esther«, sagte er nach einem Augenblick. »Ich bin nicht allzu glücklich mit dieser Sache«, fügte er hinzu und ließ sich am Tonfall anmerken, dass er diese Feststellung für eine gigantische Untertreibung halte. »Leider ist es wohl geschehen, ob es uns nun gefällt oder nicht.«
»Aber …« McQueen hatte zu einer scharfen Erwiderung angesetzt, dann beherrschte sie sich. Sie schloss den Mund, dass die Zähne klickten, und zügelte ihr Temperament mit sichtlicher Mühe: Ihre Nasenflügel bebten.
»Sie haben Recht, Bürger Vorsitzender«, sagte sie mit der Stimme einer Frau, die um ihr Gleichgewicht ringt und gewinnt. »Und ich entschuldige mich für meinen Ausbruch. So … überraschend die Neuigkeit auch ist, rechtfertigt sie keineswegs eine überzogene Reaktion wie die meine. In der Sache aber bleibe ich bei meiner Meinung. Und während wir uns die Schuldzuweisungen für später aufheben können …« – sie blickte einen der beiden Menschen am Tisch an, die nach ihr ins Komitee gekommen waren, und Leonard Boardman, der Minister für Öffentliche Information, erstarrte auf seinem Stuhl – »… müssen wir uns augenblicklich mit den unmittelbaren und zweifellos katastrophalen Folgen befassen. Katastrophal sind sie aber nur, wenn wir mit einem blauen Auge davonkommen! Wenn wir Pech haben …«
Ihre Stimme verklang, sie schüttelte den Kopf.
Pierre wünschte, er könnte ihrer Einschätzung widersprechen. »Ich fürchte, diesbezüglich muss ich Ihnen Recht geben«, gestand er ein.
Joan Huertes, die Chefreporterin und Chefmoderatorin des Interstellar News Service in der Volksrepublik Haven, hatte Boardman direkt angerufen und ihn gebeten, einen Kommentar zu den unglaublichen Meldungen aus der Manticoranischen Allianz abzugeben. Immerhin war Boardman so vernünftig gewesen, seine Erklärung auf ein bemerkenswert gefasstes (genauer gesagt, gefasst klingendes ) »Kein Kommentar« zu beschränken und sich augenblicklich mit Saint-Just in Verbindung zu setzen, anstatt herumzusitzen und darüber nachzugrübeln, welche Folgen dieses PR-Desaster für ihn persönlich haben könnte. Seinem Gesichtsausdruck zufolge hatte er im Anschluss durchaus gegrübelt und gezittert – aber wenigstens erst, als das Problem bereits in den richtigen Händen lag.
Ebenso positiv war zu vermerken, dass auch Saint-Just nicht einmal erwogen hatte, die bittere Pille zu verzuckern oder gar die unglückselige
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