Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
hast gesagt, dass nur Sam ihn nicht hören könnte. Ist es umgekehrt anders?«
»Ja. Das glaube ich wenigstens«, sagte Honor nach einem Augenblick. »Schwer, das so genau zu sagen. Als er begriffen hat, dass sie ihn nicht hören kann, hat er einfach …«
»So reagiert, wie ich an seiner Stelle reagiert hätte«, unterbrach ihr Vater sie. »Wenig überraschend. Ich habe mich immer gefragt, wie es wohl einem Telepathen ergeht, der zum ersten Mal in seinem Leben allein und isoliert ist; der sich in seiner eigenen kleinen Welt gefangen wieder findet. Wir wissen noch nicht einmal ansatzweise, was wir über die Katzen wissen sollten , aber es steht fest, dass sie alle an einem allgegenwärtigen Gesamtbewusstsein teilhaben, einem Verbund mit jeder Katz und in gewissen Ausmaß auch mit den meisten Menschen in ihrer Nähe. Vom Tag ihrer Geburt an kennen sie dieses Bewusstsein. Sie müssen es für genauso selbstverständlich halten wie den Sauerstoff. Jetzt aber …«
Alfred Harrington schüttelte erschauernd den Kopf; Honor nickte stumm. Sie staunte, wie genau ihr Vater das Geflecht von Verstand und Herz zu beschreiben wusste, obwohl er davon niemals einen Eindruck erhalten haben konnte.
»Wenn ich mit der Verletzungsursache richtig liege, dann kann es ihm von allen Baumkatzen nicht als Erstem passiert sein. Weiß Gott werden sie im Urwald oft genug verletzt, und daher müssen wenigstens einige von ihnen ähnliche Verstümmelungen erlitten und überlebt haben. Also wissen sie, dass es jedem von ihnen widerfahren kann; es muss ihre größte Furcht sein. Als Nimitz begriff, dass es ihm passiert ist …«
Er schüttelte wieder den Kopf und seufzte. Mitleidig betrachtete er die beiden Baumkatzen. Samantha hatte einen leisen, liebevollen Trostgesang angestimmt.
»Können wir denn gar nichts tun?«, fragte Honor mit einem eigenartigen Unterton in ihrer Stimme, den LaFollet sich zunächst gar nicht erklären konnte; dann begriff er. Alfred Harrington gehörte zu den fünf besten Neurochirurgen des Sternenkönigreichs von Manticore. Hier bat ihn nicht nur eine Tochter um Trost; hier wandte sich eine Frau an den Arzt, der die zerstörten Nerven in ihrem Gesicht wiederhergestellt und ihr eigenhändig ein kybernetisches Auge implantiert hatte, und fragte ihn, ob er noch ein weiteres Wunder aus dem Koffer ziehen könne.
»Das weiß ich nicht, Liebes. Noch nicht«, antwortete Alfred Harrington ihr aufrichtig. »Ich habe wahrscheinlich mehr auf die Zeitschriftenartikel über Baumkatzen geachtet als die meisten anderen Neurochirurgen, weil Nimitz ein so wichtiger Teil unseres Lebens ist. Aber mein Fachgebiet ist nun einmal der Mensch. Eingeborene sphinxianische Lebewesen waren immer mehr die Spezialität der Veterinäre. Zwischen den Nervenstrukturen der Baumkatzen und denen der Menschen bestehen gewaltige Unterschiede. Die Knochen- und Gelenkschäden lassen sich ohne Komplikationen beseitigen, da bin ich mir sicher, aber im Moment kann ich nicht sagen, wie die Aussichten in Bezug auf Nervenheilung sind.« Die belebte Seite von Honors Gesicht verkrampfte sich, und Alfred schüttelte rasch den Kopf. »Das heißt aber noch nichts, Honor! Ich will dir nur keine falschen Hoffnungen machen; ich weiß es zwar nicht, aber ich werde mich damit beschäftigen. Und ich verspreche dir eins – und Nimitz und Samantha: Wenn Nimitz geheilt werden kann, dann will ich verdammt sein, wenn ich die Heilungsmethode nicht herausfinde!«
Honor blickte ihn für die Dauer zweier Herzschläge an, dann entkrampften sich ihre Schultern, und aus ihrem Gesicht wich einige Angst. Auf das fachliche Urteil ihrer Eltern verließ sie sich vorbehaltlos, denn zu oft hatte sie gesehen oder gehört, was sie zu leisten verstanden. Wenn ihr Vater sagte, er glaube eine Heilungsmöglichkeit für Nimitz’ Verkrüppelung zu kennen, dann musste er sich schon recht sicher sein, dass es diese Möglichkeit wirklich gab. Auf keinen Fall hätte er gelogen, um irgendjemanden erst einmal zu beruhigen.
Und noch etwas tut er nie , dachte sie. In ihrem ganzen Leben hatte er noch nie etwas versprochen, das er nicht halten konnte. Honor wusste, dass auf ihn Verlass war.
»Danke, Daddy«, flüsterte sie. Ihre Mutter nahm sie wieder in die Arme.
4
»Verflucht noch mal, ich kann’s einfach nicht glauben!«
Kriegsministerin Esther McQueen spuckte Gift und Galle, und mehr als eine der Personen, die mit ihr am Konferenztisch saßen, zog den Kopf ein. Nicht etwa, weil man sich
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