Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
augenblicklich zu unterdrücken … aber ebenfalls nur auf kurze Sicht. Auf lange Sicht wird eine verzerrte Version der manticoranischen Darstellung auch zu uns durchsickern, aber das dauert Monate. Bis dahin hat die Angelegenheit viel von ihrer unmittelbaren Wirkung verloren. Ich erwarte nicht, dass der größte Schaden innerhalb der Republik entsteht. Vielmehr sorge ich mich um die Folgen in unseren Beziehungen zur Liga.«
»Und ich ebenfalls«, sagte McQueen leise. »Wir verdanken es hauptsächlich dem Technologietransfer aus der Solaren Liga, dass wir halbwegs an den manticoranischen Stand heranreichen. Wenn durch diese Geschichte der Nachschub an technischen Informationen in Gefahr gerät, könnte daraus ein ernstes Problem entstehen.«
»Es sei denn, wir räumen mit den Mantys auf, bevor es ›ernst‹ wird «, warf Saint-Just mit eisigem Lächeln ein.
»Das wird, bei allem schuldigem Respekt, so bald nicht geschehen«, entgegnete McQueen fest. »Natürlich, es wäre möglich, dass wir unfassliches Glück haben oder ihre Kampfmoral plötzlich einbricht, aber sie haben sich bereits umgruppiert und decken ihre Kernsysteme zu gut. Wir schlagen eigentlich nur gegen Sonnensysteme zu, die sie uns zuvor genommen haben, Oscar. Wenn sie uns die Initiative weiterhin überlassen, werden wir sie irgendwann zermürbt haben. Das ist der große Nachteil einer rein defensiven Strategie; sie gestattet dem Gegner, sich Ort und Zeit für Auseinandersetzungen auszusuchen und konzentriert dort anzugreifen, wo man den Gegner aufreiben kann. Wir haben jedoch noch nie lebenswichtige Zentren der Allianz angegriffen – außer beim Überfall auf Medusa. Schläge gegen Systeme wie Sansibar oder Alizon ziehen zwar eine Schwächung der Moral nach sich, die physische Kampfkraft der Allianz aber verringert sich durch solche Angriffe nicht besonders. Man weiß nun, dass wir in die Offensive gegangen sind. Darum sind die Systeme, wo wir der Allianz wirklich schaden könnten, also Manticore, Grayson, Erewhon und Grendelsbane, viel zu stark geschützt, als dass wir sie überfallen könnten. Wir würden Verluste erleiden, die das Unternehmen von vornherein verbietet.«
Saint-Just blickte sie starrsinnig an, und Pierre unterdrückte ein Seufzen. Dann rieb er sich die Nase und straffte die Schultern.
»Also gut, Leonard. Mir gefällt es zwar nicht, aber ich glaube, Sie haben Recht. Entwerfen Sie mir auf Grundlage Ihrer Vorschläge eine Erklärung, kontaktieren Sie Huertes und bieten Sie ihr ein Exklusivinterview mit mir an. Ich möchte sehr sorgfältig darauf vorbereitet werden, und Sie klären im Vorfeld ab, dass gewisse Themen aus Gründen der militärischen Abschirmung nicht angesprochen werden dürfen. Trotzdem möchte ich mich ihr als offen und entgegenkommend präsentieren. Vielleicht kann ich sie anstacheln, dass sie ihren Trumpf verfrüht ausspielt … oder vielleicht lässt sie sich dazu bringen, ihn mir als Köder in die Mausefalle zu legen. Auf jeden Fall will ich sowohl sie als auch ihre Kollegen daran erinnern, wie wichtig der Zugang zu meinem Büro ist. Dann überlegen sie es sich hoffentlich dreimal, bevor sie etwas tun, was uns so vergrätzt, dass wir ihnen diesen Zugang verweigern.
Inzwischen beschleunigen Sie das militärische Vorgehen, Esther«, wandte er sich an McQueen. »Insbesondere muss Unternehmen Skylla so rasch wie möglich ausgelöst werden. Wenn wir wegen Cerberus ein blaues Auge riskieren, dann wäre es ganz sinnvoll, wenn Sie den Manticoranern auf dem Schlachtfeld kräftig in den Hintern treten. Das würde uns einen mindestens ebenso schwer wiegenden Gesprächsstoff liefern, auf den wir notfalls ausweichen könnten.«
»Sir, wie ich Ihnen gestern bereits gemeldet habe, können wir …«
»Ich weiß, dass Sie noch nicht so weit sind«, sagte Pierre ein wenig ungeduldig. »Ich bitte Sie auch nicht um ein Wunder, Esther. Ich sagte ›beschleunigen‹, nicht halb vorbereitet vorstürmen. Aber Sie haben uns gezeigt, dass Sie die Mantys schlagen können, und wir brauchen möglichst bald einen neuen Sieg.«
Er gab ihren Blick nicht frei, und die Botschaft war eindeutig: Er würde ihre militärische Lagebeurteilung gegen Saint-Just unterstützen – zum Großteil wenigstens, und vorübergehend –, aber er brauchte ein Wunder, je früher, desto besser. Und wenn er kein Wunder erhielt, dann würde er wieder darüber nachdenken, ob er ihr noch vertrauen konnte … und ob er Saint-Just wirklich daran hindern sollte, sie
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