Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
Saint-Just im ununterbrochenen Gerangel um den Flottennachrichtendienst gerade einen Punkt gemacht und erneut seinen Verdacht unterstrichen hatte, dass McQueen absichtlich den operativen Fortschritt verlangsame, um sich umso unersetzlicher zu machen.
»Den manticoranischen Planungsstäben ist das genauso bewusst wie uns, Oscar«, fuhr sie fort. »Sich im Augenblick zurückzuhalten erfordert von ihnen einige mutige Entscheidungen, aber wenn ich an Stelle der Mantys wäre und glaubte, ich könnte es mir leisten, den idealen Angriffszeitpunkt abzuwarten, dann würde ich das gewiss tun. Ich würde sehr darauf achten, dass mein Gegner auf keinen Fall verfrüht etwas über meine neuen Waffensysteme erfährt. Er sollte sie erst sehen, wenn er in ihre Mündung blickt. Schließlich hat es noch nie eine Wunderwaffe gegeben, die man nicht irgendwie kontern kann. Ich würde meinem Gegner nicht die Zeit gönnen, um sich eine Doktrin auszudenken, mit der er ihre Wirkung schmälern kann.«
Pierre mischte sich ein, bevor Saint-Just etwas erwidern konnte. »Sie haben beide ausgezeichnete, stichhaltige Argumente angeführt«, sagte er. Er wusste, dass der SyS-Chef immer unglücklicher darüber war, in welchem Maß die Volksflotte und sogar einige der Schiffs-Volkskommissare die Kriegsministerin verehrten. Saint-Just war zu diszipliniert und zu loyal, als dass er ohne Pierres Genehmigung Schritte gegen McQueen unternommen hätte, aber er achtete naturgemäß weit mehr auf Bedrohungen der inneren Sicherheit als auf Gefahren von außen. In vielerlei Hinsicht teilte Pierre seine Ansicht, dass die Kriegsministerin eine innere Gefahr bedeutete, aber er fürchtete, dass das legitime Misstrauen des SyS-Chefs gegen McQueen ihm den Blick auf die Gefahr verstellte, die nach wie vor von den Streitkräften der Manticoranischen Allianz ausging. So ruhig und defensiv der Feind sich seit Ikarus auch gab, Pierre war längst nicht überzeugt, dass er am Boden lag und man ihn nur noch auszuzählen brauchte.
»Im Augenblick aber«, sprach er weiter und lenkte die Diskussion von der Auseinandersetzung zwischen seinem innenpolitischen Wachhund und seiner militärischen Oberbefehlshaberin in andere Bahnen, »müssen wir uns vor allem auf eins konzentrieren: wie wir auf Harringtons Flucht reagieren. Die Planung unseres militärischen Vorgehens ist bereits abgeschlossen, die Operationen sind in die Wege geleitet. In dieser Hinsicht lässt sich im Moment nicht viel ausrichten. Huertes wartet jedoch auf Antwort von uns, und wir können nicht zulassen, dass die Berichterstattung innerhalb der Solaren Liga von der manticoranischen Schilderung der Ereignisse dominiert wird.«
»Ich fürchte, ich sehe keine Möglichkeit, das zu vermeiden, Bürger Vorsitzender«, sagte Leonard Boardman zwar zögerlich, aber in bestimmterem Ton, als McQueen ihm zugetraut hätte; und als Pierre ihn mit einem Blick aufspießte, schien ihn das nicht allzu sehr einzuschüchtern.
»Erklären Sie mir das näher«, verlangte der Bürger Vorsitzende tonlos.
»Huertes hat sich an uns gewandt, nachdem die Story sie erreicht hatte, Sir«, sagte Boardman. »Die Geschichte stammt nicht aus der Republik, sie entstammt den manticoranischen Verlautbarungen im Jelzin- und im Manticore-System. Auf keinen Fall kann sie uns erreicht haben, bevor man sie via Beowulf in die Solare Liga verbreitet hat.«
Er verstummte, und Pierre nickte widerwillig und grimmig. Das Sternenkönigreich von Manticore erlangte durch seine Kontrolle des Manticoranischen Wurmlochknotens einen gewaltigen Vorteil, was die Transferzeit von Nachrichten in die Solare Liga betraf, und bei einer entscheidenden Sache wie dieser mussten die Manticoraner den Vorteil aufs Äußerste ausgeschöpft haben.
»Mit allem, was wir in der Liga versuchen, hinken wir darum den Mantys hinterher«, fuhr Boardman ein wenig selbstsicherer fort. »Hier in der Republik können wir den Nachrichten unseren Stempel aufdrücken, sodass sie in einem für uns günstigen Licht erscheinen …« – und wie , fragte sich Esther McQueen, willst du solch einer Nachricht einen ›günstigen‹ Stempel aufpressen, o Bürger Minister? –, »aber in der Liga müssen wir gegen die Darstellungen der Mantys ankämpfen. Und offen gesagt, Sir, fürchte ich, dass Huertes bereits einiges weiß, wovon wir noch nichts ahnen.«
»Was zum Beispiel?«, hakte Saint-Just nach, und McQueen musste sich beherrschen, um nicht das Gesicht zu verziehen. Sehr geistreich war die
Weitere Kostenlose Bücher