Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
dem Bemühen um Oberflächlichkeit entgegnete Honor: »Ich schreib’s mir hinter die Ohren.« Schweigend hielt Henke ihrem Blick stand, dann nickte sie.
»Mehr kann man wohl nicht verlangen«, sagte sie lebhafter und lehnte sich wieder in den Sessel zurück. »Hast du nicht angedeutet, deine Freunde auf Grayson hätten dich in deiner feinsinnigen Bescheidenheit noch mehr gekränkt?«
»Das haben sie allerdings!« Honor begann eine weitere Runde durch Henkes Arbeitszimmer; so energisch schritt sie aus, dass der Saum ihres graysonitischen Kleides ihr um die Fußknöchel schlug.
»Hör auf, mir den Teppich platt zu trampeln, setz dich hin und sag mir, was los ist«, befahl Henke und wies auf den Sessel, von dem Honor aufgesprungen war.
»Jawohl, Ma’am«, antwortete Honor unterwürfig. Sie setzte sich gemessen in den Sessel. Das Kinn erhoben, die Füße nebeneinander gestellt, die Hand züchtig in den Schoß gelegt und leicht vornüber gebeugt, blickte sie seelenvoll die Freundin an. »Wäre es so besser, Ma’am?«, fragte sie ernst.
»Nur wenn du auf Prügel aus bist«, knurrte Henke. »In deinem gegenwärtigen Zustand habe ich vielleicht sogar eine Chance gegen dich.«
»Von wegen!«, schnaubte Honor herablassend, dann lehnte sie sich zurück und schlug die Beine übereinander.
»Besser. Erzähl!«
»Na schön«, seufzte Honor. »Es ist wegen der Statue.«
»Der Statue?«, wiederholte Henke verdutzt.
»Jawohl, der Statue. Vielleicht sollte ich sie lieber DIE STATUE nennen – in Versalien, du weißt schon. Vielleicht setzen wir’s noch kursiv und fügen ein oder zwo Ausrufezeichen an.«
»Dir ist doch wohl klar, dass ich nicht die leiseste Idee habe, wovon du da brabbelst, oder?«
»Ach? Dann bist du wohl nicht mehr in Austin City gewesen, seit mein jüngstes vorzeitiges Ableben vermeldet wurde?«
»Nur als ich dich mit der Pinasse vom Palast abgeholt habe«, entgegnete Henke verwundert.
»Dann bist du also nicht am Saal der Gutsherren gewesen? Na, das erklärt natürlich alles.«
»Erklärt was, verflixt noch mal?«
»Erklärt, warum du sie nicht gesehen hast – diese schlichte, vier Meter hohe Bronzestatue von mir, die auf einem acht Meter hohen – und polierten! – Obsidiansockel steht, und zwar mitten auf dem Platz vor der Haupttreppe zum Nord-Portikus. Jeder Mensch, der je durch einen der öffentlichen Eingänge ins Gebäude geht, kommt auf Augenhöhe an ihr vorbei!«
Selbst der überschwänglichen Michelle Henke verschlug es die Sprache. Sie stierte Honor an, und Honor erwiderte ihr Stieren mit gelassenem Blick. Nicht dass sie eine solche Gelassenheit auch nur im Mindesten hätte bewahren können, als sie das Ding zum ersten Mal erblickt hatte. Die Statue war eine von Benjamins ›kleinen Überraschungen‹ gewesen. Sie glaubte ihm zwar, dass die Idee vom Konklave der Gutsherren stammte, und nicht auf seinem Mist gewachsen war, trotzdem war er derjenige, der es nicht für nötig befunden hatte, Honor auf die Existenz der Statue vorzubereiten … bis sie schließlich der drohend aufragenden Monstrosität Angesicht zu Angesicht – oder Angesicht zu Sockel – gegenübergestanden hatte.
Nein , verbesserte sie sich bedachtsam, es wäre ungerecht, die Statue eine Monstrosität zu nennen. Nur entsprachen derartige Bronzestatuen in heroischen Posen nun einmal überhaupt nicht Honors Geschmack, aber sie musste zugeben (in den Pausen, in denen sie sich vom Zähneknirschen erholte), dass der Bildhauer ausgezeichnete Arbeit geleistet hatte. Die Szene, die der Künstler verewigt hatte, war der Moment, als Honor in der Konklavekammer gestanden und sich auf das Staatsschwert gestützt hatte. In dieser Pose wartete sie an jenem Tag auf die Rückkehr des Dieners, den der Gutsherr von Burdette damit betraut hatte, das Schwert von Burdette zu holen. Offensichtlich hatte der Künstler die Aufzeichnungen jenes schrecklichen Tages mit großer Sorgfalt durchgearbeitet. Jede Kleinigkeit hatte er korrekt wiedergegeben, sogar den Schnitt auf Honors Stirn. Nur zwei Einzelheiten stimmten nicht. Erstens war Nimitz, der auf ihrem Tisch in der Kammer gesessen hatte, von dort auf die Schulter der Statue versetzt worden. Diese Ungenauigkeit bewegte sich durchaus im Rahmen der künstlerischen Freiheit, fand Honor, denn wenn Nimitz auch nicht auf ihrer Schulter gesessen hatte, war er doch bei ihr gewesen, und zwar viel näher, als der Bildhauer je ahnen konnte. Und zweitens hatte der Künstler ihr ein gerütteltes Maß
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