Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
Beobachter an die Front eines Kampfgeschehens zu entsenden, das in der Liga als Zank zwischen unbedeutenden, drittklassigen Fremdmächten betrachtet wurde. Für die Industrie erwies es sich jedoch als unwiderstehliche Verlockung, profitable Geschäfte abschließen zu können und Zugriff auf Informationen zu erhalten, welche die Volksflotte aus ihren Ortungsergebnissen und den gelegentlichen Analysen manticoranischer Wrackteile gewann.
Arnos Parnells Flucht in die Liga bedrohte auch diese Arrangements. Wenn man ihm glaubte, stünde Haven in den Augen der solarischen Öffentlichkeit plötzlich nicht mehr auf der ›guten‹ Seite – und Pierre bezweifelte nicht, dass man ihm tatsächlich Glauben schenken würde. Zwar war es durchaus denkbar, dass die Mantys auf lange Sicht doch keine neuen Sympathien gewannen, weil man das Sternenkönigreich und seine ›autokratischen‹ Verbündeten schon so lange für Friedensbrecher gehalten hatte. Aber trotzdem konnte sich die öffentliche Meinung gegen Haven kehren. Wenn Pierre Glück hatte, sagten die Sollys sich: ›Schert euch doch alle beide zum Teufel!‹ und verabscheuten fortan beide Seiten. Leonard Boardman und das Amt für Öffentliche Information würden gewiss alles geben, um wenigstens so viel zu erreichen. Selbst solch eine Haltung intensivierte die öffentliche Unterstützung des Embargos, die wiederum bestimmte Liga-Bürokraten ermunterte, es genauer mit ihrer gesetzlichen Durchsetzungspflicht zu nehmen – und jeden öffentlich zu maßregeln, der gegen das Handelsverbot verstieß. Eines ihrer Druckmittel bestand in der befristeten oder sogar unbegrenzten Sperre bei der Vergabe von Bauaufträgen für die solarische Navy, und daher würden die Lieferanten der VRH in ihrem Geschäftsgebaren umso nervöser werden.
Nichts davon würde sich in irgendeiner Weise vorteilhaft auf die Kampfleistung der Volksflotte auswirken.
»Im Augenblick können wir die Entwicklung in der Liga kaum beeinflussen«, sagte der Vorsitzende schließlich. »Wir müssen es nehmen, wie es kommt, und hoffen, dass wir das Kommende überstehen. Wenigstens in einer Hinsicht hat Boardman Recht: Diesmal wirkt sich die offizielle Kommunikationsverzögerung zwischen uns und Sol zu unserem Vorteil aus.«
»Davon haben wir nicht viel«, entgegnete Saint-Just. »Wir sollten uns nichts vormachen, Rob. Unsere offiziellen Antworten auf die Anfragen der solarischen Regierung können wir verzögern. Wir behaupten einfach, die manticoranische Kontrolle der Wurmlöcher zwinge uns, alle Nachrichten auf dem langen Weg zu senden. Aber das nutzt uns gar nichts in Bezug auf die Nachforschungen der Reporter. Für sie gibt es nämlich keine Wurmlochsperre. Was sie berichten, kommt fast genauso schnell auf die Kernwelten wie sämtliche Behauptungen der Mantys.«
»Danke für den Hinweis.« Pierres Stimme klang pikiert, doch gleichzeitig deutete er ein müdes Augenzwinkern an. Niemand anderem als Saint-Just gegenüber hätte er seinem Ton die Schärfe genommen, und der SyS-Chef schnaubte.
»Gern geschehen. Es ist schließlich mein Job, dir die Neuigkeiten zu bringen – schlechte noch eher als gute. Und deshalb habe ich im Zusammenhang mit Parnell auch McQueen erwähnt.«
Er neigte den Kopf zur Seite und musterte erwartungsvoll seinen Vorgesetzten. Pierre ergab sich dem Unvermeidlichen. »Nur weiter«, sagte er.
»Selbst hier in unserer eigenen Volksrepublik werden wir die solarischen Darstellungen der Ereignisse nicht völlig unterdrücken können«, erklärte Saint-Just. »Bislang ist es der Zensur gelungen, eine offene Verbreitung zu unterbinden, und den solarischen Agenturen ist auch klar, dass wir jede Verletzung des Informationskontrollgesetzes oder der Statuten gegen Subversive Agitation ahnden werden. Aber bereits jetzt beginnen illegale Versionen der solarischen Storys durchzusickern. Zum Teufel, wir haben nie hundertprozentig verhindern können, dass Dissidenten manticoranische Zeitungsdateien einschmuggeln!«
»Das weiß ich«, entgegnete Pierre geduldig. »Aber ich glaube nicht, dass Boardman sich irrt, wenn er sagt, wir könnten den Schaden zumindest eingrenzen. ›Schwarze‹ Berichte hat es immer gegeben, ohne dass wir es eingestanden hätten, aber gegen das Gewicht des öffentlichen Informationssystems sind sie noch nie angekommen. Nicht einmal jemand, der jede Nachricht der Öffentlichen Information mit Vorsicht genießt, kann sich gegen den Sättigungseffekt schützen, der sich durch den
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