Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
ihn auch gar nicht zu hören. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wer auf der alten Terra gesagt, hatte, etwas sei ›schon wieder ein Déjà-vu-Erlebnis‹. Es fiel ihr nicht ein, doch das spielte keine Rolle. Sie brauchte keine Namen, um genau zu wissen, wie sich die Person gefühlt haben musste, die dieses Meisterstück der Redundanz geprägt hatte. Denn DuCain und Prince zu beobachten weckte in ihr schmerzhafte Erinnerungen an die gehässigen, voreingenommenen Angriffe gegen sie, die auf die Erste Schlacht von Hancock Station gefolgt waren. Auch damals hatte sie im Brennpunkt dieser Gemeinheiten gestanden, also müsste sie doch eigentlich schon daran gewöhnt sein. Das jedoch war sie keineswegs. Daran gewöhnt sich niemand , dachte sie bitter.
»Was ich verdiene oder nicht, hat nur wenig Auswirkungen auf das, was tatsächlich geschieht, Elizabeth«, sagte sie in gelassenem, gleichmäßigem Ton und spürte zugleich die Anspannung in Nimitz' lang gestrecktem, drahtigem Körper auf ihrer Schulter. »Und es hat auch nichts mit dem Schaden zu tun, der verursacht wird, wenn das so weitergeht.«
»Vielleicht nicht«, räumte Elizabeth ein. »Aber wenn Sie sich nach Grayson zurückziehen, hat der Feind gewonnen. Und noch schlimmer, jeder weiß, dass er gewonnen hat. Davon abgesehen« – sie senkte die Stimme, und ihr ladestocksteifer Rücken schien sich ein wenig zu beugen – »macht es wahrscheinlich überhaupt keinen Unterschied.«
Honor öffnete wieder den Mund und schloss ihn. Nicht weil sie sich geschlagen geben wollte, sondern weil sie fürchtete, dass Elizabeth Recht haben könnte.
Jeder Insider im Parlament, ob Unter- oder Oberhaus, wusste genau, was Honor angetan worden war, und es spielte keinerlei Rolle. Auf Hayes' Kolumne, mit der alles begonnen hatte, war rasch das erste Editorial gefolgt. Und dieser erste ›seriöse‹ Kommentar war der ausgefeilte, peinlich auf Wirkung getrimmte erste Schuss einer Eröffnungssalve gewesen, die eine genau geplante Hetzkampagne eingeleitet hatte. Es war der erste Stich des Picadors gewesen, mit tadelloser Präzision gezielt, und weil die Regierung High Ridge eine Koalition aus so vielen Parteien war, schien der orchestrierte Angriff eine katastrophal breite Basis zu besitzen. Die manticoranische Öffentlichkeit war an lautstarke Auseinandersetzungen zwischen Parteiorganen und Regierungssprechern gewöhnt, doch diesmal verwischten die Grenzen zwischen den Fraktionen. Nein, verwischt konnte man es auch nicht nennen. Das eigentliche Problem war, dass die Trennlinien sogar deutlicher hervortraten als sonst – und dass diesmal alle großen Parteien auf der anderen Seite standen, außer den Zentralisten und den Kronenloyalisten. Die Verdammung Honors umfasste das gesamte klassische politische Spektrum, und das verlieh den Angriffen in den Augen der Öffentlichkeit einen gefährlichen Grad an Legitimität. Gewiss würden doch so viele Politiker mit solch unterschiedlichen Ansichten niemals in etwas übereinstimmen, wenn es nicht wahr war!
Die erste Kolumne war unter dem Verfassernamen Regina Clausel im Landing Guardian erschienen, dem Flaggschiff unter den Nachrichtendiensten der Manticoranischen Freiheitspartei. Clausel war seit beinahe fünfzig T-Jahren Reporterin – und arbeitete seit mehr als fünfunddreißig für die Freiheitspartei. Sie hatte ihre Referenzen als Journalistin und vorgeblich unabhängig denkende politische Kommentatorin gepflegt, war in Pressekreisen jedoch als eine der wichtigsten Propagandistinnen der Freiheitspartei bekannt. Gleichzeitig respektierte man sie in diesen Kreisen für ihr Können, auch wenn sie es den ideologischen Erfordernissen unterordnete. Effizienz ist eben wohl wichtiger als intellektuelle Integrität, sagte sich Honor bitter.
In diesem Fall jedoch wog Clausels Sichtbarkeit am schwersten. Sie war regelmäßiger Gast in vier themenorientierten HD-Programmen, ihre Kolumne erschien in achtzehn großen und unzähligen kleineren Nachrichtendiensten, und mit ihrem ungezwungenen Schreibstil und ihrer gelassenen Leutseligkeit vor der Kamera hatte sie sich eine breite Leserschaft und Zuschauermenge errungen. Viele ihrer Leser waren keine Freiheitler – ein beträchtlicher Prozentsatz bestand sogar aus Zentralisten, die ihre Kolumnen lasen oder sie sich im HD ansahen, denn sie betrachteten Clausel als glänzendes Beispiel dafür, dass jemand, mit dem sie politisch nicht übereinstimmten, nicht zwingend dumm sein musste.
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