Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
beschwert, wenn du ihm von heute auf morgen den Titel überlässt«, entgegnete er noch trockener als sie, und sie schnaubte. Wenn Henry Montaigne eines Morgens als Earl of the Tor aufwachte, würde er mit einem Mal zu den reichsten zehn Prozent aller Untertanen des Sternenkönigreichs gehören. Cathy Montaigne freilich gehörte nach wie vor zu den reichsten drei bis vier Prozent, aber das war eine andere Frage.
»Selbst wenn du dich durch die Aufgabe des Titels nicht in Armut stürzt und plötzlich auf der Straße leben müsstest«, fuhr er fort, »wäre es trotzdem kein vollkommen symbolisches Opfer. Die Leute würden es bemerken. Und du könntest das, was High Ridge zu einem Hindernis gemacht hat, in eine Waffe verwandeln – nämlich deinen Ausschluss vom Oberhaus.«
»Glaubst du wirklich, ich könnte als neues Parlamentsmitglied mehr ausrichten als hier und jetzt?«
»Ja«, sagte er nur.
»Aber ich stünde in der Rangfolge ganz unten und käme für keinen Ausschuss als Vorsitzende infrage.«
»Und welchen Ausschüssen des Oberhauses sitzt du augenblicklich vor?«, fragte er ironisch und grinste, als sie ihm eine Fratze schnitt. »Nein, im Ernst, Cathy«, fuhr er ein wenig nüchterner fort, »du könntest politisch sicher mehr erreichen, wenn du im Unterhaus sitzt, als in deiner jetzigen Position als beschnittene Peeress. Und die Kammer, zu der du gehörst, beeinflusst überhaupt nicht den Einfluss, den du außerhalb der offiziellen Regierungskanäle ausübst. Davon abgesehen, sind die Rangaltersregeln im Unterhaus längst nicht so strikt. Du wärst erstaunt, welch nützliche Ausschusspositionen dir offen stünden. Besonders, wenn die Zentralisten nach einer gemeinsamen Grundlage mit dir suchen.«
»Und das würden sie wahrscheinlich, nicht wahr?«, überlegte sie mit nachdenklichem Gesicht. »Zumindest würden sie mich als einen Keil betrachten, mit dem man New Kiev und die Parteiführung noch weiter von den Unzufriedenen wie mir trennen könnte.«
»Das auf jeden Fall«, stimmte er ihr zu. »Und wir wollen ehrlich sein. Einer der Gründe, aus dem man dich als einen Keil ansehen würde, besteht darin, dass du tatsächlich einer wärst. Genauer gesagt, sitzt du genau deswegen im Parlament.«
Sie sah ihn scharf an, und er lachte ohne Heiterkeit.
»Komm schon, Cathy! Wir wissen beide, dass Jeremy dir beigebracht hat, ehrlich zu dir selbst zu sein, wenn es um deine Ziele und deine Taktik geht. Möchtest du etwa nicht erreichen, dass New Kiev und ihre Sippschaft die Kontrolle über die Partei verlieren?«
»Und bist du kein Kronenloyalist, der zu gern zusähe, wie die Freiheitler sich mit einem internen Vernichtungskrieg zugrunde richten?«, schoss sie zurück.
»Das Herz brechen würde es mir nicht«, gestand er fröhlich. »Aber seit ich dich kenne, muss ich zugeben, dass nicht alle Freiheitler gottverdammte Idioten sind. Das war für mich nicht gerade leicht zuzugeben. Ich nehme an, meine gegenwärtige Gesellschaft hat mich dazu verführt – entschuldige den Ausdruck – in Betracht zu ziehen, dass nicht alle Freiheitler verdorbene Hafergrütze im Kopf haben.
Wie auch immer«, sagte er mit einem milden Grinsen, als sie ihm die Zunge rausstreckte, »ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mit vielem von dem, woran du und andere Freiheitler glauben, gut zurechtkomme. Wahrscheinlich werden wir uns nie in allen Punkten einig, aber es spricht schon einiges für eine Gesellschaft, in der Leistung wichtiger ist als Abstammung. Mit dem Großteil eurer schwachsinnigen Thesen zur Sozialintervention und eurer wirklichkeitsfremden Wirtschaftsfantasien, die für die meisten Freiheitler so wichtig sind, habe ich nichts am Hut. Aber du auch nicht, oder?«
»Das weißt du ganz genau.«
»Also schön«, sagte er schulterzuckend. »So wie ich es sehe, gibt es für mich keinen Grund, nicht mit dir – oder anderen Freiheitlern – zusammenzuarbeiten. Vorausgesetzt, du bringst deine Partei dazu, Ziele zu verfolgen, hinter denen ich sowieso schon stehe. Wie du eben schon festgestellt hast, ist die Chance gering, dass New Kiev so schnell aus dem Bett steigt, in das sie sich mit diesem Mistkerl High Ridge gelegt hat. Wenn ich also überhaupt mit Freiheitlern zusammen arbeiten möchte, muss ich dafür sorgen, dass jemand wie du bei ihnen das Sagen hat.« Er grinste sie an. »Siehst du? Nichts als purer, unverfälschter, berechnender Eigennutz, was mich betrifft.«
»Ganz gewiss.« Sie schnaubte, und während sie
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