Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
Sternenkönigreich gewesen, so wäre das schlimm genug gewesen, denn so sanft und mitfühlend Alfred Harrington auch sein mochte, Honor wusste genau, von wem sie ihr Temperament geerbt hatte. Nur wenige Menschen hatten je miterlebt, wie ihr Vater die Beherrschung verlor; nicht alle davon hatten diese Erfahrung überlebt. Doch all das war in den Tagen seines Navy-Dienstes geschehen und er sprach nur sehr selten mit Honor darüber.
Honors Mutter aber wäre noch schlimmer gewesen. Viel schlimmer. Auf Beowulf, der Geburtswelt von Allison Ghou Harrington hätte sich die öffentliche Meinung kaputtgelacht über die Idee, dass Herzensangelegenheiten irgendjemanden etwas angingen außer den Beteiligten. Die Natur des Ehegelöbnisses der Alexanders hätte zwar großes Gewicht besessen, doch die Beowulfianer wären mit gesundem Menschenverstand zu folgendem Schluss gekommen: Wenn die fraglichen Personen – alle fraglichen Personen – bereit seien, dieses Gelöbnis abzuändern, dann sei auch das allein ihre Angelegenheit. In jedem Fall aber hätte der Gedanke, dass irgendetwas davon Auswirkungen auf Honors öffentliche Verantwortlichkeiten haben könnte, für allgemeine Erheiterung gesorgt.
In dieser Hinsicht war Allison Harrington immer eine Beowulfianerin geblieben, obwohl sie seit fast einem T-Jahrhundert im Sternenkönigreich lebte. Ihre letzten Briefe an Honor strahlten eine Wildheit aus, die Honor beinahe Angst einjagte, und ihr schauderte jedes Mal, wenn sie sich ausmalte, wie Allison sich ungezügelt in einer Sendung wie Into the Fire ausließe. Oder was geschehen wäre, wenn man sie mit Regina Clausel in einen Raum geführt hätte. Honors Mutter war zwar zierlich, aber das galt für Baumkatzen auch.
Dieser Gedanke führte Honor wieder in die Gegenwart zurück, und sie blickte ihre Königin an und seufzte.
»Ich weiß nicht recht, Elizabeth«, sagte sie, und in ihren eigenen Ohren klang sie flach und geschlagen. Sie ließ die Schultern sinken und fuhr sich mit der rechten Hand müde über die Augen. »Ich weiß mir einfach keinen Rat mehr. Vielleicht wäre es ein Fehler, nach Grayson zu gehen, aber ich weiß ganz bestimmt, dass jeder Tag, an dem ich hier bleibe und ins Oberhaus gehe, alles nur schlimmer macht.«
»Ich bin daran schuld«, erwiderte Elizabeth traurig. »Ich hätte die Angelegenheit von Anfang an besser handhaben müssen. Willie hat versucht, es mir klarzumachen, aber ich war zu wütend und zu verletzt, um ihm zuzuhören. Ich hätte Allen Summervale gebraucht, damit er mich schüttelt, bis ich zur Besinnung komme, aber Allen war umgekommen.«
»Elizabeth …«, setzte Honoran, doch die Queen schüttelte den Kopf.
»Ich hätte mich beherrschen müssen«, sagte sie. »Hätte es mit Einfühlung und Vernunft versuchen sollen, bis ich das Mittel gefunden hätte, mit dem ich sie spalten konnte, statt ihnen den Krieg zu erklären und sie damit zusammenzuschweißen!«
»Was immer Sie hätten tun oder lassen sollen, ist heute unerheblich«, sagte Honor sanft. »Ich für mein Teil glaube sogar, dass es nie eine Möglichkeit gab, die Koalition zu spalten, weil ihr die Bedrohung durch die Peers von San Martin zu deutlich bewusst war.«
»Dann hätte ich Nägel mit Köpfen machen sollen«, entgegnete Elizabeth bitter. »Zum Teufel mit der Verfassungskrise, hätte ich sagen und mich weigern sollen, High Ridge als Premierminister zu akzeptieren. Hätten sie doch versuchen sollen, ohne die Unterstützung der Krone zu regieren!«
»Damit hätten Sie aber gegen jeden verfassungsrechtlichen Präjudiz der Geschichte verstoßen«, wandte Honor zur Verteidigung der Königin ein.
»Na und? Präjudize können verändert oder ersetzt werden!«
»Mitten im Krieg?«, fragte Honor.
»Einem Krieg, den wir gewannen … bis ich diesen unfassbaren Dreckskerlen erlaubt habe, Saint-Justs ›Waffenstillstand‹ anzunehmen!«, fuhr Elizabeth auf.
»Hören Sie auf!« Honor sah die Monarchin streng an. »Sie können Ihr Vorgehen natürlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hinterfragen, aber damit ändern Sie gar nichts. Sie waren in der gleichen Situation wie ein Captain mitten im Gefecht. Da muss man sofort entscheiden, was zu tun ist, während die Raketen und Energiestrahlen noch unterwegs sind. Hinterher kann sich jeder hinsetzen und genau analysieren, was man hätte besser machen können. Der Captain muss seine Entscheidungen aber ohne diese Distanz treffen, basierend auf dem, was er weiß und wie er es
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