Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
blieb der Kaiser.
»Wenn Sie eine wahrhaft herausragende Darstellung der Brutalität der Macht sehen wollen«, fuhr Cachat fort, »dann sehen Sie sich Mizoguchis Sansho Dayu – Ein Leben ohne Freiheit an.«
Dianas Funkeln ließ nach. »Nun … okay, Victor, da muss ich Ihnen zustimmen. Ich bin selber ein großer Fan von Mizoguchi, aber ich schätze Ugetsu – Erzählungen unter dem Regenmond noch höher. Dennoch finde ich, dass Sie Renoir Unrecht tun. Was ist mit …«
»Einen Augenblick, bitte. Da wir schon über das Thema reden – wenn auch auf Umwegen –, möchte ich die Gelegenheit ergreifen und Volkskommissar Radamacher fragen, wie lange er noch die Zügel schleifen lassen will, bevor er die Säuberung abschließt.«
»Wovon reden Sie da?«, fuhr Yuri ihn an, doch sank ihm dabei das Herz in die Magengrube. Er wusste nämlich genau, wovon Cachat sprach. Er hatte es einfach …
Hinausgezögert.
»Das wissen Sie doch genau!«, versetzte Cachat. »Faul sind Sie, aber nicht dumm. Überhaupt nicht dumm. Sie haben sich in der Volksflotte einen Befehlsstab geschaffen, das ist wunderbar. Schön ist auch, dass Sie aus Marines und ausgewählten SyS-Leuten eine solide Sicherungsabteilung gebildet haben, die Ihre Befehlsgewalt durchsetzt. Aber an Bord dieses Superdreadnoughts – auf der Tilden steht es nicht viel besser und stellenweise ist es sogar noch schlimmer – wimmelt es noch immer von unzuverlässigen Elementen. Ganz zu schweigen von einer kleinen Gruppe brutaler Rowdys. Ich warne Sie, Volkskommissar Radamacher: Sie verlieren die Kontrolle, wenn Sie das noch länger dulden.«
Yuri schluckte. Cachat sprach die Wahrheit, das wusste er genau. Beide Superdreadnoughts hatten gewaltige Besatzungen, die bis auf eine Hand voll Marineinfanteristen komplett der Systemsicherheit angehörten. Einigen dieser SyS-Leute – herausragende Beispiele waren Major Bürger und Sergeant Rolla – hätte Yuri sein Leben anvertraut; was er im Grunde sogar tat.
Die Übrigen … die meisten davon waren einfach Menschen. Menschen, die sich aus den gleichen Gründen freiwillig auf ein Großkampfschiff der SyS gemeldet hatten, aus denen Menschen aus den niedrigen Schichten der Gesellschaft sich freiwillig zum Militärdienst melden: als Ausweg aus den Wohntürmen der Dolisten, als Quelle eines passablen, regelmäßigen Einkommens; Sicherheit; Ausbildung; Aufstiegschancen. Finstere Hintergründe gab es nicht.
Diese Menschen hatten die Wachablösung willig hingenommen, besonders, nachdem klar geworden war, dass Yuri ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen hatte, bei dem sie keine unmittelbaren Repressalien befürchten mussten, so lange sie Frieden hielten.
Dennoch gab es an Bord der Superdreadnoughts mehr als genug Unteroffiziere und Mannschaften – und sehr viele Offiziere –, die mit den neuen Verhältnissen alles andere als zufrieden waren. Sie hatten ihren Dienst bei der Systemsicherheit genossen und hätten eine Rückkehr des Regimes der eisernen Hand begrüßt – vor allem, da sie jeden Grund zu der Aussicht hatten, ihr sorgloses Dasein als die Finger jener eisernen Hand dann wiederaufnehmen zu können.
»Verdammt«, beschwerte sich Yuri – und verabscheute seine Stimme, die selbst in seinen eigenen Ohren weinerlich klang –, »ich habe niemals eingewilligt, eine Nacht der Langen Messer durchzuführen.«
Cachat runzelte die Stirn. »Wer hat je von Messern gesprochen? Und sie brauchten auch nicht lang zu sein. Um einem Mann die Kehle durchzuschneiden, genügt eine sieben Zentimeter lange Klinge. Tatsächlich – haben Sie eigentlich alles vergessen? – waren in den Attentäterkursen der Akademie sieben Zentimeter die Klingenlänge der Wahl.«
»Schon gut«, seufzte Yuri. »Es sollte eine historische Anspielung sein. Es gab einmal einen Tyrannen namens Adolf Hitler, der sich nach seiner Machtübernahme gegen seine fanatischsten Anhänger wandte, die ihm erst zur Macht verholfen hatten. Die Rechtgläubigen waren plötzlich zu einer Gefahr für ihn geworden. Er ließ sie während einer einzigen Nacht alle liquidieren.«
Cachat grunzte. »Ich verstehe immer noch nicht, worauf Sie hinauswollen. Schließlich schlage ich nicht vor, dass Sie Diana liquidieren sollen. Oder Major Lafitte, Admiral Chin, Commodore Ogilve oder einen der ausgezeichneten Unteroffiziere – aus den Reihen der Marines und der SyS –, die Sie an die Macht gebracht haben. Ich weise nur auf etwas hin, das eigentlich offensichtlich sein müsste: An Bord
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