Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
Seitenschilde heruntergefahren haben, Yuri, das nimmt mir einiges von meiner Nervosität …«
Radamacher war verblüfft. Er hatte überhaupt nicht angeordnet …
Dann fiel sein Blick auf Kit Carson, und er kämpfte wirklich mit dem Lachen. Der I.O. der Hector hatte seinen schmeichlerischsten Ausdruck aufgesetzt. Stets hart am wechselnden politischen Wind, hatte Carson offensichtlich die Anweisung erteilt, während Yuri damit beschäftigt war, eine katastrophale Eskalation zu verhindern. Es war eine der wenigen Gelegenheiten in seinem Leben, wo Radamacher bereit war, ein Loblied auf die Tugenden der Speichelleckerei zu singen.
»… und können die militärische Lage somit als eine Art Pattsituation ansehen«, fuhr Chin fort. Sie runzelte die Stirn. »Solange jeder einverstanden ist, die Seitenschilde unten zu halten. Und hier im Orbit von La Martine zu bleiben. Angenommen, der Bericht des Handelskapitäns stimmt und es gibt tatsächlich einen Waffenstillstand mit den Mantys, dürften wir eine Weile lang keine Raider mehr jagen müssen. Und – ha! – nach unserem Besuch im Laramie- und im New-Calcutta-System werden sich hier so bald auch keine Piraten mehr rühren.«
Yuri übernahm und führte es weiter. »Ich stimme mit Genevieve überein. Sehen wir den Tatsachen ins Gesicht. Die Besatzungen aller Kriegsschiffe der Volksrepublik im La-Martine-Sektor sind mittlerweile so gründlich gemischt …«
Dem Fanatiker zum Dank. Ha! Das Prinzip der Unbeabsichtigten Folgen hat sich wieder mal durchgesetzt!
»… solange wir uns alle ruhig verhalten – wie Genevieve sagt, zusammen in einer Umlaufbahn bleiben und keine aggressiven Manöver machen –, kann niemand irgendjemanden liquidieren. Außerdem«, fügte er schulterzuckend hinzu, »hegt denn wirklich noch jemand solch einen großen Groll? Doch wohl nicht gegenüber irgendjemandem hier in La Martine, das glaube ich nicht. Deshalb sehe ich keinen Grund, weshalb wir nicht einfach Ruhe und Frieden in diesem Sektor der Volksrepublik bewahren sollten. Warten wir verdammt noch mal einfach ab, bis wir genau wissen, was auf der Zentralwelt los ist.«
Die Entspannung war auf allen Bildschirmen beinahe greifbar. Yuri atmete noch einmal durch. Das war's, dachte er. Vorerst wenigstens.
Cachats Stimme unterbrach seine angenehmen Gedanken.
»Sie übersehen einen letzten Aspekt, Volkskommissar Radamacher.«
»Und der wäre?«
»Meine Wenigkeit natürlich. Oder genauer gesagt, was ich repräsentiere. Ich bin auf den persönlichen Befehl Oscar Saint-Justs hierher geschickt worden, des damaligen Staatsoberhaupts der Volksrepublik. Und wenn wir die Formalitäten beiseite lassen, kann man, ohne ungenau zu sein, wohl sagen, dass ich diesen Sektor mit diktatorischen Mitteln regiert habe.«
Yuri starrte ihn an. Dann schnaubte er. »Ja, das würde ich auch für passend halten. Besonders den diktatorischen Teil.«
Cachat schien den Sarkasmus nicht zu bemerken. Sein Bild auf dem Display war noch immer überlebensgroß. Besonders das grimmige junge Fanatikergesicht schien über allem anderen zu schweben. Zumindest auf der Brücke der Hector , doch Yuri war sich sicher, dass er auf der Tilden die gleiche Wirkung hatte – und wahrscheinlich noch mehr auf dem Schlachtschiff, auf dessen Brücke er tatsächlich stand. Der Mann besaß eine solch zwingende, einschüchternde Ausstrahlung, dass er diese Wirkung einfach ausübte.
»Worauf wollen Sie hinaus, Cachat?«
Zu seiner Überraschung schnitt ihm Sharon scharf das Wort ab.
»Hören Sie auf, sich wie ein Esel zu benehmen. Captain Cachat ist höflich zu Ihnen gewesen, und Sie haben keine Veranlassung, so grob zu ihm zu sein.«
Yuri starrte sie an. »Aber er … der Mistkerl hat Sie zusammenschlagen lassen!«
»Es ist wirklich zum Auswachsen!«, fuhr sie ihn an. »Sie benehmen sich wie ein Schuljunge, statt mal das Hirn einzuschalten. Ist ›Ehre, wem Ehre gebührt‹ etwa nicht Ihr Lieblingssprichwort – oder eines davon?«
Das Bild ihres Kopfes schwenkte herum, als sie sich dem Display zuwandte, das Cachat zeigte. »Sind Sie wirklich dazu bereit, Captain? Verlangen wird es niemand von Ihnen.«
»Selbstverständlich werde ich das. Unter den gegebenen Umständen ist es meine einfache Pflicht.« Cachat vollführte die winzige Bewegung der Schultern, die sein Achselzucken zu sein schien. »Mir ist klar, dass die meisten von Ihnen – oder sogar alle – mich als einen Fanatiker betrachten. Diese Bezeichnung akzeptiere ich weder, noch
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