Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
neugierig.
»Nein, eigentlich nicht. Ich werde ihr ein bisschen einheizen, sobald sie wieder an Bord ist, und ihr klar machen, dass ich ihr diese Marines aus gutem Grund mitgegeben habe. Aber eine Zigarre bekommt sie dafür nicht verpasst, weil ich zu wissen glaube, weshalb sie sich so und nicht anders verhält. Außerdem ist sie dort unten, nicht ich, und im Großen und Ganzen habe ich beträchtliches Zutrauen in ihr Urteilsvermögen.«
»Na ja«, sagte Atkins nach einem Blick auf das Chronometer am Schott, »sie ist nun fast vier Stunden auf Refuge. Bislang scheint nichts schief gegangen zu sein, und ich nehme an, sie macht sich nun bald auf den Rückweg.«
»Tatsächlich ist sie gerade unterwegs zu ihrer Pinasse«, stimmte Watson zu, »und …«
»Hyperabdruck!« Der Taktikgast, der mit seiner Meldung den I.O. unterbrach, klang erstaunt, aber er sprach mit klarer Stimme. »Sieht nach zwo Schiffen im Verband aus, Peilung null drei vier zu null eins neun.«
Watson fuhr zu ihm herum und zog die Brauen hoch, dann ging sie rasch zum Kommandosessel im Zentrum der Brücke und schlug auf den Knopf, der das taktische Wiederholdisplay ausfahren ließ. Sie blickte hinein und wartete, dass die Operationszentrale die rote Raute einfügte, die einen unidentifizierten Hyperabdruck in etwas mehr als sechzehn Lichtminuten Entfernung vor dem Steuerbordbug der Gauntlet kennzeichnete.
»Na, na, na«, murmelte sie und drückte einen Comknopf an der Sessellehne.
»Hier Captain«, bestätigte Michael Oversteegens Stimme.
»Sir, hier Eins-O«, sagte Watson. »Wir haben einen unidentifizierten Hyperabdruck auf knapp zwohundertachtundachtzig Millionen Kilometern. Könnte von zwo Schiffen stammen.«
»Ach, nein?«, fragte Oversteegen nachdenklich. »Nun, was meinen Sie denn, könnte jemand in einem System wie Tiberian suchen?«
»Nun, Sir, so lange er nicht edel, tugendhaft und ehrlich ist wie wir, könnte es durchaus sein, dass es sich um ein paar fiese alte Piraten handelt.«
»Der gleiche Gedanke war mir auch schon gekommen«, sagte Oversteegen, dann wurde sein Ton forscher. »Geben Sie Klarschiff, Linda. Ich bin unterwegs.«
Abigail lehnte sich in ihren behaglichen Sessel in der Passagierkabine der Pinasse zurück. Sie beobachtete, wie das dunkle Indigoblau von Refuges Atmosphäre dem Schwarz des Weltalls wich, und dachte über das nach, was sie von Bruder Tobias und Bruder Heinrich erfahren hatte.
Viel war es nicht, überlegte sie. Sie bezweifelte, ob sie überhaupt etwas gehört hatte, das nicht schon in den ONI-Analysen des Captains stand. Allerdings schien Captain Oversteegen mit seiner Vermutung Recht zu haben, dass der Kommandant der Star Warrior den Refugianern während seines Besuchs im Tiberian-System gehörig auf den Schlips getreten war.
Sie entnahm dies nicht etwa den Worten Tobias' oder Heinrichs, sondern mehr der Art, wie sie es unausgesprochen gelassen hatten. Sie gab es nicht gern zu, doch die Haltung der beiden Ältesten gegenüber der Star Warrior und ihrer Crew entsprach genau der Position, die gewisse Graysons gehabt haben mussten, als Lady Harrington zum ersten Mal Jelzins Stern besuchte. Die nichtgläubigen Fremden waren ungefragt in ihr Sonnensystem gekommen und hatten ihre eigenen, hoffnungslos weltlichen Probleme mitgebracht und ihre Bereitschaft zum Blutvergießen, und das hatten die Refugianer verabscheut.
Abigail erschien es wahrscheinlich, dass sowohl der Kommandant der Star Warrior als auch das Landekommando des erewhonischen Kreuzers, der nach dem Verschwinden des Zerstörers Refuge besucht hatte, mit der Gefolgschaft der Auserwählten von Anfang an auf dem falschen Fuß gestanden waren. Die Erewhoner hatten zwar wahrscheinlich nicht absichtlich auf den heiklen Punkten der Refugianer herumgetrampelt, doch anscheinend genau jene Art von Eifer ausgestrahlt, ihre Feinde aufzuspüren und zu vernichten, die der refugianischen Religion ein Gräuel war.
Ob das im Falle der Star Warrior zutraf oder nicht, der Kreuzer, der im Tiberian-System nach ihr suchte, war auf jeden Fall auf Vergeltung aus gewesen. Eindeutig war den Angehörigen seiner Crew, die mit Bruder Heinrich und den anderen Ältesten gesprochen hatten, ihr Erstaunen und zumindest auch ein bisschen Verachtung anzumerken gewesen, als die Einheimischen ihren Eifer zurückwiesen, den zu jagen und zu vernichten, wer immer ihren Zerstörer angegriffen hatte.
Um den Ältesten der Gefolgschaft gegenüber gerecht zu bleiben,
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