Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
haben.
Carlie schluckte den Impuls herunter, hier und jetzt den Dienst zu quittieren.
»Mr Winton wird sich erst in einigen Tagen bei Ihnen melden, Sie haben also Zeit, sich vorzubereiten«, fuhr Commander Boniece fort. »Darf ich Ihnen meinen Rat anbieten?«
»Ich wäre Ihnen für jeden Rat sehr dankbar, Sir.«
»Geben Sie dem jungen Mann eine Chance, sich zu beweisen, bevor Sie ihn verurteilen.«
»Ich werde mein Bestes tun, Sir.«
Carlie Dunsinane meinte es ernst. Sie wusste jedoch auch, wie schwierig es sein würde, Wort zu halten.
Als sie ging, kam Tab Tilson, der Signaloffizier, mit den neuesten Depeschen herein. Bevor die Luke sich hinter ihm schloss, hörte sie ihn sagen:
»Noch mehr Änderungen, Sir, fürchte ich.«
Die Tür fuhr zu, bevor Carlie hörte, von welchen Änderungen der Signaloffizier sprach, aber sie hoffte inbrünstig, dass sie nichts mit ihrer schon übermäßig komplizierten Kadettenkammer zu tun hätten.
Ephraim Templeton regierte seinen Haushalt mit eiserner Hand – oder präziser, mit einer sehr biegsamen Peitsche und dem Willen, sie zu benutzen. Seine Einschätzung, in welchem Ausmaß er sein Haus beherrschte, beruhte indessen auf bestimmten Annahmen, die er als gegeben voraussetzte.
Keine von Ephraims Frauen konnte lesen. Aus diesem Grund wurde kein Versuch unternommen, die Bibliothek vor ihnen abzusichern. Keine seiner Frauen konnte mit einem Computer umgehen, sah man von dem Aktivieren der einfachen Bildsymbole für regelmäßige Haushaltsaufgaben ab. Ganz gewiss verstand sich keine von ihnen auf etwas derart Kompliziertes wie Programmierung.
Judith jedoch konnte lesen. Sie war schon mit den komplizierteren Computersystemen der Graysons vertraut gewesen, und ihre Eltern hatten ihr die Grundlagen des Programmierens beigebracht. Diese Fertigkeit hatte es Judith im Verein mit dem problemlosen Zugriff auf die Datenbanken von Ephraims Haus ermöglicht, ihre Ausbildung fortzusetzen.
Die Warnung ihrer sterbenden Mutter hatte ihr auch den Weg gewiesen, auf dem sie die Freiheit zurückerlangen konnte. Wenn die Masadaner nicht wollten, dass sie irgendetwas wusste, dann würde sie danach streben, alles zu erfahren – und vor ihnen geheim halten, wie viel Wissen sie erlangte.
Judiths Schutzprogramme hätten einer sorgfältigen Sicherheitsüberprüfung nicht standgehalten, doch niemand stellt Mausefallen auf, wo es keine Mäuse geben kann. Judith hatte noch einen weiteren Vorteil: Sie war nicht die Lieblingsfrau ihres Mannes. In vielerlei Hinsicht war sie sogar die am wenigsten beliebte, und Ephraim trennte sich nur deswegen nicht von ihr, weil sie zu seiner Beute gehörte.
Seinesgleichen, die die Graysons mit unbeirrbarem Fanatismus hassten, präsentierte er Judith als eine Seele, die ihre Sünden abbüßte, ein Gefäß, aus deren Schoß diejenigen kommen würden, die eines Tages den Untergang ihrer eigenen Vorfahren herbeiführen sollten. Darum nahm Ephraim sie oft mit, wenn seine Pflichten ihn in die Fremde führten. Sie war eine Trophäe: der lebende, atmende Beweis, dass der masadanische Kampf zur Eroberung Graysons nicht vergeblich sein würde.
Anfangs, als sie erst zwölf gewesen war, hatte Judith diese Reisen verabscheut. Sie zwangen ihr häufige Intimkontakte mit ihrem Gatten auf, denn Ephraim nahm keine anderen Frauen mit. Nachdem Judith jedoch entdeckt hatte, dass sie während dieser Reisen an Bord des Aronsstab völlig unbeobachtet war – denn der eifersüchtige Ephraim schloss sie in der Kapitänskajüte ein, damit sie keine unheilige Lust bei seiner Besatzung weckte –, machte sie sich ihre Abgeschiedenheit zunutze.
In das Computersystem des Schiffes einzudringen, war die erste Herausforderung an Judith gewesen, doch ihre Ausbildung an den fortschrittlicheren graysonitischen Rechnern hatte sie mit dem nötigen Rüstzeug versorgt. Nachdem sie einmal Zugang zum Computer des Aronsstab erlangt und die Sicherheitsprogramme platziert hatte, stürzte sich Judith in die Freuden des verbotenen Wissens.
Während sie eigentlich beten oder Bibelstellen auswendig lernen sollte, machte sich Judith mit den Schiffsanlagen vertraut. Sie begann mit den Grundlagen des Lebenserhaltungs-Systems, der Maschinen und der Signalgeräte, dann bewegte sie sich in die schwieriger zu durchschauenden Gefilde der Waffensysteme und der Astrogation. Später, als sie vierzehn geworden war, befasste sie sich mit den Grundlagen der Raumtaktik.
Ohne dass Ephraim es ahnte, war seine
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