Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
nun sagen würde, dass Admiral Hemphill von Ihrer Qualifikation gehört und Sie persönlich angefordert habe?«
»Dann wäre ich erfreut, Mylady, doch das würde andere nicht davon abhalten zu glauben, dass ich besonderen Schutz genieße.«
»Und Ihnen ist es wichtig, was andere Menschen über Sie denken?«
»Ich würde gern sagen, dass es mir gleichgültig sei, Mylady«, antwortete Michael, »aber dann müsste ich lügen. Ich könnte damit leben, wenn es nur um mich ginge. Es wäre nicht das erste Mal. Mir würde aber nicht passen, was einige andere dann vielleicht über die Navy denken.«
»Über die Navy?«
»Jawohl, Mylady. Wenn der Bruder der Königin auf ein Schiff abkommandiert wird, das in keiner sonderlich großen Gefahr schwebt, in ein Gefecht verwickelt zu werden, wie lange dauert es dann, dass einige andere Adlige glauben, ihnen stünde der gleiche Schutz zu?«
Michael hielt inne; er befürchtete, vielleicht über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Die Vertrauensdozentin bedeutete ihm jedoch mit einem Nicken, er möge weiterreden.
»Die Navy benötigt Rekruten, Mylady«, fuhr Michael fort, »aus allen Schichten der Gesellschaft. Ich stelle mir nicht gerne vor, was geschehen wird, wenn sich herumspricht, dass einige Personen offenbar zu wertvoll sind, um sie auf gefährliche Posten abzustellen – daraus würde folgen, dass andere Menschen für entbehrlicher gehalten werden.«
»Mr Winton, gewiss ist Ihnen doch klar, dass es immer so gewesen ist. Offen gesagt, bestimmte Personen sind wertvoller als andere.«
»Jawohl, Mylady, aber sie sind wertvoll, weil sie etwas wissen, weil sie etwas gelernt haben, weil sie zur operativen Ausführung etwas beizutragen haben. Man betrachtet sie aber nicht«, und nun konnte Michael eine Spur von Bitterkeit nicht unterdrücken, »als wertvoll nur durch den Zufall ihrer Geburt.«
»Verstehe«, sagte Commander Shrake nach unbehaglich langem Schweigen. »Ich verstehe, was Sie meinen, und ich glaube, ich kann es nachvollziehen. Worum also ersuchen Sie dann, Mr Winton?«
»Eine durchschnittlichere Abkommandierung als Midshipman, Mylady«. erklärte Michael. »Wenn die Navy jedoch wirklich meint, ich könnte ihr auf einem Superdreadnought in der Umlaufbahn um Gryphon am meisten nutzen, dann werde ich auch dort mein Bestes geben.«
»Aber Sie würden es bevorzugen, auf, sagen wir, einem Schlachtkreuzer zu dienen, der sich mit silesianischen Piraten befasst.«
»Das hielte ich für durchschnittlicher, Mylady«, sagte Michael.
»Verstehe«, wiederholte sie. »Also gut. Sie haben mir Ihren Fall dargelegt. Ich werde darüber nachdenken und die Angelegenheit gegebenenfalls dem Commandant vorlegen. Wäre da sonst noch etwas, Mr Winton?«
»Nein, Mylady. Vielen Dank, dass Sie mich angehört haben, Commander.«
»Wer ein guter Kommandant sein will, sollte lernen zuzuhören«, entgegnete Shrake und klang, als wäre sie gerade in den Vorlesungssaal zurückgekehrt. »Wenn das alles wäre, Mr Winton, können Sie wegtreten.«
Grayson und Masada teilten gegenüber Frauen gewisse Positionen, was nicht sonderlich überraschte, da die Masadaner ursprünglich zur graysonitischen Kolonie gehört hatten. Beide Gesellschaften verweigerten Frauen das Recht zu wählen oder Eigentum zu besitzen. Beide betrachteten die Frau als dem Manne unterlegen und sahen ihre Rolle im Haushalt und in der Versorgung des Ehemanns. Auf den Punkt gebracht, behandelten beide Gesellschaften Frauen wie Eigentum.
Eigentum kann aber geschätzt und wertvoll sein. Für die Graysons waren ihre Frauen Schmuckstücke. Sie verweigerten ihnen zahlreiche Rechte und Privilegien, waren zugleich aber verpflichtet, sie zu lieben und zu schützen. Dieser Schutz mochte erstickend und von Zwang geprägt sein, aber zumindest schadete er nicht.
Die Masadaner jedoch hatten nach ihrem Aufbruch von Grayson begonnen, Frauen in einem anderen Licht zu betrachten. Da eine Frau den Versuch der Wahren Gläubigen, wie sie sich nannten, die Kontrolle über Grayson zu erlangen, vereitelt hatte – so wie Gottes Plan für den Mann von Eva zunichte gemacht worden war –, sahen die Masadaner Frauen als lebendige Verkörperungen der Sünde und des Leides. Kaum etwas, das man solch einer Kreatur antun konnte, wurde als überzogen betrachtet. Vielmehr kam eine Frau ihrer Erlösung näher, indem sie klaglos hinnahm, was man ihr zufügte.
Auf Grayson behandelte kein Mann eine Frau schlecht, weil sie wertvoll war. Auf Masada
Weitere Kostenlose Bücher