Honor Harrington 17. Um jeden Preis
hättest, oder?«
»Natürlich nicht, aber für uns neobarbarische planetare Despoten ist es ganz normal, Unmögliches zu verlangen. Und wenn wir es nicht bekommen, lassen wir den Unglücklichen, der uns enttäuscht hat, eben köpfen.«
Benjamin IX., Planetarer Protector von Grayson, stand mit dem Rücken zum Holzfeuer, das hinter ihm im Kamin knisterte, und grinste Honor an. Sie schüttelte den Kopf.
»Ich wusste, dass dir deine absolute Macht irgendwann einmal zu Kopfe steigen würde«, entgegnete sie; ihre Majestätsbeleidigung hätte ein Drittel der Gutsherren des Planeten entsetzt und ein zweites Drittel vor Wut rasend gemacht.
»Ach, unter uns gesagt, Elaine und ich stutzen ihn immer wieder zurecht, Honor«, sagte Katherine Mayhew, Benjamins ältere Frau.
»Na, wir und die Kinder«, warf Elaine Mayhew ein, Benjamins jüngere Frau. »Wenn ich richtig verstanden habe«, fuhr sie mit einem fröhlichen Lächeln fort, »dann halten kleine Kinder die Eltern jung.«
»Was uns nicht umbringt, macht uns also jünger?«, warf Benjamin ein.
»Irgendwie so etwas«, antwortete Elaine. Mit siebenunddreißig T-Jahren war sie beinahe zwölf Jahre jünger als ihr Mann und fast sechs Jahre jünger als seine ältere Frau. Natürlich, Honor hinkte sie fast ein Vierteljahrhundert hinterher – und trotzdem gehörte Honor zu den jünger aussehenden Personen im Zimmer. Nur der dritte und rangniedrigste ihrer persönlichen Waffenträger, Spencer Hawke, und der hochgewachsene Lieutenant Commander in der Uniform der Grayson Space Navy sahen jünger aus als sie. Es lag am Prolong.
Sie presste die Lippen zusammen, als ihr einfiel, weshalb sie hier waren, und Nimitz drückte ihr mit einem leisen, tröstenden Summen die Wange seitlich an den Kopf. Benjamin kniff die Augen zusammen, und Honor schmeckte den Impuls des Begreifens. Nun, er hatte immer großen Scharfsinn bewiesen, und seit acht T-Jahren Vater einer Tochter zu sein, die von einer Baumkatze adoptiert worden war, musste ihn zweifellos sensibilisiert haben.
Sie lächelte ihm noch einmal zu, dann ging sie zu dem jungen Mann in der Navyuniform. Für einen Grayson war er ein wahrer Riese – er überragte sogar Honor –, und obwohl sie Zivilkleidung trug, nahm er Haltung an und verbeugte sich respektvoll. Honor ignorierte die Verbeugung und nahm ihn fest in die Arme. Der Lieutenant Commander erstarrte einen Augenblick lang – vor Überraschung, nicht aus Abwehr –, dann erwiderte er ein wenig unbeholfen die Umarmung.
»Gibt es Neuigkeiten, Carson?«, fragte sie leise, trat einen halben Schritt zurück und ließ die Hände herabsinken, bis sie auf seinen Unterarmen ruhten.
»Nein, Mylady«, antwortete er traurig. »Ihre Lady Mutter ist gerade im Krankenhaus.« Er lächelte matt. »Ich habe ihr gesagt, es sei nicht nötig. Schließlich fällt es nicht in ihr Spezialgebiet, und wir wissen alle, dass wir nichts tun können außer abzuwarten. Doch sie bestand darauf.«
»Howard ist auch ihr Freund«, sagte Honor. Sie blickte Andrew LaFollet an. »Ist Daddy bei ihr, Andrew?«
»Jawohl, Mylady. Da Faith und James sicher im Kinderzimmer untergebracht waren, habe ich Jeremiah mitgeschickt, damit er sie im Auge behält.« Honor neigte den Kopf, und er hob leicht die Schultern. »Er wollte gehen, Mylady.«
»Verstehe.« Sie sah Carson Clinkscales wieder an und drückte ihm noch einmal die Unterarme, dann ließ sie ihn los. »Sie weiß, dass sie eigentlich nichts tun kann, Carson«, sagte sie. »Sie würde sich aber nie verzeihen, wenn sie nun nicht für Ihre Tanten da wäre. Von Rechts wegen müsste ich ebenfalls dort sein.«
»Honor«, sagte Benjamin sanft, »Howard ist zweiundneunzig Jahre alt, und während seines Lebens hat er sich viele Freunde gemacht – mich eingeschlossen. Wenn jeder, der bei ihm sein ›sollte‹, wirklich im Krankenhaus wäre, hätten die Patienten keinen Platz mehr. Howard liegt jetzt seit drei Tagen im Koma. Wenn du bei ihm wärst und er es wüsste, dann würde er dir eine Standpauke halten, weil du all deine anderen Pflichten vernachlässigst.«
»Das weiß ich«, seufzte sie. »Das weiß ich. Aber trotzdem …«
Sie verstummte und schüttelte mit kummervollem Gesicht den Kopf. Benjamin nickte verständnisvoll, aber er verstand sie eigentlich gar nicht, nicht ganz jedenfalls. Trotz aller Veränderungen auf Grayson hatten sich seine Denkweise und seine Positionen in einer Prä-Prolong-Gesellschaft entwickelt. Für ihn war Howard Clinkscales ein
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