Honor Harrington 17. Um jeden Preis
antrainiert hatte.
Sie krümmte ihre künstliche linke Hand eigenartig. Mit steifem Zeigefinger hob Honor sie, und in dem Augenblick, ehe Timothy Meares' Feuer sie erreichte, platzte die Spitze dieses Zeigefingers, und ein Feuerstoß aus fünf Pulserbolzen zuckte durch die Flaggbrücke. Der Kopf des Flaggleutnants zerbarst in einem grässlichen Nebel aus Grau, Rot und pulverisiertem weißem Knochen.
32
»Hoheit, Captain Mandel ist da«, sagte James MacGuiness ruhig.
Honor blickte mit einem Gefühl schuldbewusster Erleichterung von ihrer Konsole auf. In den einundzwanzig Stunden seit dem Gemetzel auf der Flaggbrücke hatte sie nur wenige Stunden unruhig geschlafen und verfasste noch immer persönliche Briefe an die Hinterbliebenen der Toten. Die Beileidsbekundung an Simon Mattinglys Familie hatte ihr schon schlimm zugesetzt; der Brief, den sie gerade aufzeichnete, richtete sich an Timothy Meares' Eltern und fiel ihr weitaus schwerer.
MacGuiness stand in der Luke zu dem Privatbüro neben dem Arbeitszimmer und sah genauso abgehärmt aus, wie sie sich fühlte. Simon Mattingly war ihr mehr als sechzehn T-Jahre lang ein Freund gewesen, Timothy Meares fast ein kleiner Bruder. Die gesamte Leitung der Achten Flotte war gelähmt von dem Vorfall, aber einige, dachte Honor, nahmen ihn erheblich persönlicher als andere.
»Führen Sie den Captain bitte herein, Mac.«
»Jawohl, Ma'am.«
MacGuiness verschwand, und Honor speicherte, was sie für Timothys Eltern bereits aufgezeichnet hatte. Dabei fiel ihr Blick auf den schwarzen Handschuh, den sie links trug – den Handschuh, der die zerfetzte Kuppe ihres Zeigefingers kaschierte –, und erneut fühlte sie die schreckliche, rasende Trauer, die zu empfinden sie keine Zeit gehabt hatte, als sie den Flaggleutnant, der ihr so viel bedeutet hatte, in all seinen Möglichkeiten und seinem jugendlichen Überschwang niederschoss.
Jemand räusperte sich, und sie sah wieder hoch.
»Captain Mandel, Hoheit«, stellte sich der stämmige, breitschultrige Offizier vor, der unmittelbar innerhalb der Luke stehen geblieben war, das schwarze Barett unter das linke Achselstück geschoben, den Rücken steif und gerade wie ein Ladestock. Er und die etwas größere, schlanke Frau neben ihm trugen die Abzeichen des Office of Naval Intelligence. »Und das«, Mandel wies auf seine Begleiterin, »ist Commander Simon.«
»Kommen Sie herein, Captain, Commander.« Honor wies auf die Stühle vor Ihrem Schreibtisch. »Bitte.«
»Danke, Hoheit«, sagte Mandel. Simon – Honor zuckte innerlich zusammen, als der Nachname des Commanders die Wunde ihres Verlustes wieder aufriss – sagte nichts, lächelte höflich und wartete einen Augenblick, bis Mandel sich gesetzt hatte. Dann erst nahm auch sie mit einer sparsamen, geschickten Bewegung Platz.
Honor musterte die Nachrichtendienstoffiziere nachdenklich und schmeckte ihre Empfindungen. Sie bildeten einen interessanten Kontrast, entschied sie.
Mandel empfand genauso schroff, wie seine körperliche Erscheinung vermuten ließ. Er strahlte die Härte einer Bulldogge aus und zeigte nicht einmal den Anklang von Flexibilität oder Nachgiebigkeit. Intensive Konzentration, intensive Entschlossenheit – all das galt für ihn, und doch erhielt sie den Eindruck, er sei ein stumpfes Werkzeug. Ein Hammer, kein Skalpell.
Simon indes war völlig anders. Simons Empfindungen unterschieden sich völlig von ihrer äußeren Erscheinung. Sie wirkte beinahe farblos – hellhaarig, mit einem Teint, der beinahe so blass war wie bei Honor und eigenartig verwaschen aussehenden blauen Augen –, und ihre Körpersprache ließ sie zurückhaltend bis zur Zaghaftigkeit wirken. Unter der Oberfläche jedoch war sie eine sprungbereite Jägerin, die stark an eine 'Katz erinnerte. Ein flinker Verstand in Verbindung mit außerordentlicher Neugier und der ungewöhnlichen Mischung aus der abstrakten Konzentration eines Rätsellösers und dem Eifer eines Kreuzritters.
Von diesen beiden, entschied Honor, ist Simon definitiv gefährlicher.
»Nun, Captain«, sagte sie nach einem Augenblick und faltete über der Schreibunterlage die Hände, »was kann ich für Sie und den Commander tun?«
»Hoheit, wie Sie sich vorstellen können, nimmt die Admiralität – und die ganze Regierung übrigens – sehr ernst, was geschehen ist«, antwortete Mandel. »Admiral Givens wird alle unsere Berichte persönlich prüfen, und ich bin angewiesen, Sie zu unterrichten, dass auch Ihre Majestät
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