Honor Harrington 18. Auf Biegen und Brechen
Handeln trieb, aber jeder Instinkt in ihr schrie: › Gefahr! ‹ Und wenn sie auch nicht wusste, welche Gabel sie bei einem formellen Diner für welchen Gang benutzte, sie wusste genau, was sie bei Gefahr unternahm.
Sie vollendete ihre Drehung, streckte den rechten Arm aus, schlang ihn wie einen Python um Berrys Taille und riss das Mädchen hoch. Als Dschingis nur noch zwei Sprünge von Tyler entfernt war, sprintete Lara bereits zu der Tür, durch die sie den Thronsaal betreten hatten.
Sie hörte hinter sich den scharfen Knall, mit dem der Aktenkoffer explodierte, als die Tür sich gerade wieder öffnete, und erblickte Saburo und Ruth Winton. Aus dem Augenwinkel sah sie zugleich den Kurier des Todes näherkommen wie die Wellen von einem Stein, der in einen stillen See geworfen war, denn wo er hinkam, brachen die Menschen in zuckender Todesqual zusammen. Das Nervengas breitete sich rascher aus, als sie rennen konnte; sie wusste nicht, worum es sich handelte, aber dass es der unsichtbare Tod war … – und dass sie ihm nicht entkommen konnte.
» Saburo! «, schrie sie und riss Berry vom Boden hoch. Einmal wirbelte sie auf dem Absatz herum wie eine Diskuswerferin, und plötzlich sauste Berry kopfüber durch die Luft. Wie ein Wurfspeer flog sie genau auf Saburo X zu, und er breitete reflexartig die Arme aus.
»Die Tür!«, schrie Lara, während sie durch ihren Schwung auf die Knie fiel. »Die Tür zu! Haut ab! «
Berry prallte gegen Saburos Brust. Er schloss den linken Arm um sie, drückte sie fest an sich, und sein Blick begegnete Laras, als ihre Knie den Boden berührten. Braune Augen starrten tief in blaue, trafen sich mit der plötzlichen, nackten Erkenntnis, der sich keiner von ihnen zu entziehen vermochte.
»Ich liebe dich!«, brüllte er … und dann schlug er mit der rechten Hand auf den Knopf, der die Tür schloss.
20
»Nicht ein Wort«, sagte Elizabeth Winton tonlos. »Kein Wort darüber, wieso sie es getan haben sollten oder wer sonst es getan haben könnte.«
Der Premierminister und das Kabinett saßen schweigend da, während die Queen sie mit Augen wie braunen Gletschersplittern betrachtete. Die unterschiedlichen Reisezeiten vom Solsystem über Beowulf und von Congo über den Erewhonischen Wurmlochknoten hatten zur Folge gehabt, dass die Nachrichten im Abstand von nur wenig mehr als vierundzwanzig Stunden eingetroffen waren, und Königin Elisabeth war über jeden Zorn hinaus. Sie war in ein Reich des Eises eingetreten, wo der Hass kalter brannte als das All zwischen den Sternen.
»Sie haben am gleichen verdammten Tag Sir James ermordet und Berry Zilwicki und meine Nichte zu ermorden versucht. Sämtliches Beweismaterial von Alterde deutet auf eine havenitische Operation hin, und wer außer uns wusste noch von dem geplanten Gipfel auf Torch? Die Havies und die Erewhoner, und glaubt jemand in diesem Raum, dass der erewhonische Ehrenkodex eine solche Schandtat zugelassen hätte? Selbst wenn man voraussetzt, dass Erewhon einen vorstellbaren Grund besessen hätte?«
Hamish Alexander-Harrington holte tief Luft und blickte sich im Kabinettsraum um. Für die Königin war es ungewöhnlich, dass sie hierherkam, statt von ihrem Premierminister und vielleicht ein, zwei anderen Ministern im Mount Royal Palace aufgesucht zu werden. Genauer gesagt war so etwas in der Geschichte des Sternenkönigreichs nur siebenmal vorgekommen. Nun, jetzt waren es achtmal. Elizabeth hatte nicht nur mit ihrem Premierminister sprechen wollen; sie wollte, dass alle Kabinettsmitglieder hörten, was sie zu sagen hatte.
Er schloss kurz die Augen, das Gesicht von Schmerz verzerrt, und Schmerz nicht nur um seinen ermordeten Freund. Die heldenhafte Entschlossenheit von Berry Zilwickis Leibwächterin hatten sie und Ruth Winton vor dem sicheren Tod bewahrt. Der Ex-Sklave, der die Tür im letzten Moment schließen konnte, hatte die beiden Mädchen aus dem Palast gezerrt. Zerren war wörtlich zu nehmen: er hatte sie zerren müssen; Berry hatte hysterisch versucht, die Tür mit bloßen Händen wieder zu öffnen.
Jede Person im Thronsaal war binnen fünfzehn Sekunden tot gewesen, und weitere zweihundertsechsundzwanzig Menschen waren gestorben, als das Nervengas sich durch andere Türen, Fenster und das Ventilationssystem aus dem Thronsaal verbreitete. Die Zahl der Todesopfer hätte wenigstens dreimal so hoch gelegen, wenn der Leibwächter, dem der Aktenkoffer des Attentäters aufgefallen war, nicht mit seinem Panikknopf
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