Honor Harrington 5. Im Exil
Harrington attackiert hatte, jeder, der auch nur insgeheim Vorbehalte gehegt hatte, würde die Nachrichten hören. Dies würde unduldsamen Haß auf die Frau wecken, die für die Katastrophe verantwortlich war. Und auf den Fersen des Hasses würden die Beschuldigungen kommen, nun kein Flüstern mehr, sondern Schreie der Wut. »Seht!« würden alle brüllen, »seht nur, was geschieht, wenn man einer Frau die Autorität eines Mannes verleiht! Seht unsere ermordeten Kinder an und sagt mir, daß das Gottes Wille sein soll!«
Benjamin Mayhew vermochte diese gequälten, von Herzen kommenden Aufschreie schon zu hören, und in ihnen klang der endgültige Untergang all seiner Reformen mit.
»Gütiger Prüfer, was haben wir nur getan ?« wisperte William Fitzclarance. Auch er starrte auf ein HD-Gerät, Samuel Mueller und Edmond Marchant saßen links und rechts neben ihm. »Kinder«, stöhnte der Lord von Burdette, »wir haben Kinder getötet!«
»Nein, Mylord«, widersprach Marchant. Burdette sah ihn an; seine blauen Augen waren vor Entsetzen dunkel. Der amtsenthobene Priester schüttelte den Kopf, und seine Augen waren ebenfalls dunkel, aber vor Entschlossenheit, nicht vor Schock. » Wir haben niemanden getötet, Mylord«, fuhr er in leisem, beschwörenden Ton fort. »Es war Gottes Wille, daß die Unschuldigen umkommen, nicht unserer.«
»Gottes Wille?« wiederholte Burdette dumpf, und Marchant nickte.
»Sie wissen doch, wie wenig Wahl uns beim Ausführen seines Willens bleibt, Mylord. Wir müssen die Menschen wachrütteln, ihnen die Gefahr vor Augen führen, die darin liegt, sich von dieser Hexe und ihrer korrupten Gesellschaft verführen zu lassen.«
»Aber das …!« Burdettes Stimme war wieder etwas kräftiger geworden, und ein Hauch Farbe kehrte in sein aschfahles Gesicht zurück.
Marchant seufzte traurig. »Ich weiß, Mylord, und doch war es Gottes Wille. Wir konnten nicht ahnen, daß Kinder zugegen sein würden, Er jedoch schon. Würde Er der Kuppel gestattet haben zusammenzubrechen, wenn auch das nicht Teil Seines Planes gewesen wäre? So schrecklich ihr Tod auch ist, ihre Seelen sind nun bei Gott – unbefleckt von jeder Sünde, unberührt von jeder weltlichen Versuchung –, und ihr Tod hat die Wirkung unseres Planes tausendfältig vermehrt. Unsere ganze Welt erkennt nun die Folgen des Anschlusses an Manticore und der sogenannten ›Reformen‹ des Protectors. Nichts, Mylord, gar nichts könnte diese Lektion so deutlich machen. Diese Kinder sind Märtyrer für Gott, im Dienst am Herrn gefallen wie jeder andere Märtyrer, der je für den Glauben in den Tod ging.«
»Er hat recht, William«, sagte Mueller gelassen. Burdette wandte sich seinem Standesgenossen zu, und Mueller hob die Hand. »Meine Inspektoren haben bereits die minderwertige Betokeramik gefunden. Ich werde noch etwa einen Tag warten, bevor ich es bekanntgebe – für uns Zeit genug, die Analysen doppelt zu überprüfen, damit nur niemand unsere Ergebnisse in Frage stellen kann. Aber wir halten den Beweis in Händen. Den Beweis , William. Die Hexe oder der Protector kann sich da nicht mehr herauswieseln. Wir haben den Moment des Zusammenbruchs nicht gewählt; das lag in Gottes Hand, und der Herr beschloß, unseren Plan viel erfolgreicher zu machen als wir jemals hoffen konnten.«
»Vielleicht … vielleicht haben Sie recht«, sagte Burdette langsam. Das Grauen war aus seinen Augen verschwunden und der Selbstgerechtigkeit gewichen, die er aus seinem Glauben bezog und auf die er sich stützte; und noch etwas funkelte in seinen Augen: das kalte Licht der Berechnung. »Es war ihre Schuld«, murmelte er, »nicht unsere. Sie hat uns erst dazu getrieben.«
»So ist es, Mylord«, pflichtete Marchant ihm bei. »Man braucht ein scharfes Schwert, um Satan die Maske vom Gesicht zu schneiden, und wer die Klinge des Herrn führen will, der muß den Preis bezahlen, den Gott uns abverlangt.«
»Sie haben recht, Edmond«, sagte Burdette mit kräftigerer Stimme. Er nickte langsam und blickte wieder auf das HD, und als er der trauerschweren Stimme des Reporters lauschte, waren seine Lippen zu einem schwachen, verächtlichen Lächeln verzogen.
»Sie haben recht«, wiederholte der Gutsherr von Burdette. »Gott selbst lenkt unsere Hand. Wenn Er von uns verlangt, daß dieses Blut über unser Haupt kommt, dann soll Sein Wille geschehen, und möge diese Hexe bis in alle Ewigkeit in der Hölle schmoren dafür, daß sie uns dazu getrieben hat.«
Adam Gerrick kam
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