Honor Harrington 5. Im Exil
abzuhalten, war unbezahlbar. Theisman fragte sich, wie Thurston es wohl geschafft hatte, Preznikov die Einwilligung dazu abzuringen. Möglich, daß der Kommissar sich der Gewalt der Logik gebeugt hatte.
Der Gedanke war zu schön, aber dann warnte Theisman sich rasch, seinen Optimismus in dieser Hinsicht nicht allzu üppig wuchern zu lassen.
»Nun also«, nahm Thurston das Wort auf, »zu dem, was ich im Sinne habe. Zunächst gebe ich Ihnen drei Stunden, um Ihre Stäbe und Kommandanten zu instruieren. Um dreizehn Uhr werden Kommissar Preznikov und ich ein Konferenznetz auf Verbandebene einrichten, um alle Fragen zu beantworten, die Sie oder jemand von Ihren Leuten vielleicht hat. Dann – um, sagen wir, sechzehn Uhr – beginnen wir mit einer Simulation des primären Angriffsplans. Bürgerin Admiral Chavez kümmert sich um die Koordination. Bürger Kommissar Preznikov und ich werden beobachten und in der ersten Simulation die Graysons übernehmen. Danach …«
Wie vom Protector vorhergesagt, waren die Neuigkeiten an die Öffentlichkeit gedrungen und hatten sich rasch verbreitet. Die Medien holten aus der Geschichte jedes Quentchen heraus, das sie nur hergab.
Nein , sagte Mayhew sich ernst, das ist nicht fair. Die graysonitische Presse ist verantwortungsbewußter als die der meisten Planeten. Nach Ansicht des Protectors blieb sie sogar oft zu »zahm« – ohne Zweifel ein Spiegelbild der auf Ehrerbietung fußenden Moral und des traditionellen Respekts vor den Herrschenden. Die Reporter hatten sorgfältig alle Fakten überprüft, bevor sie damit an die Öffentlichkeit gingen. Leider ist an den Fakten auch nichts zu rütteln , dachte Benjamin Mayhew. Eins jedoch hatte er aus den Fehlern anderer gelernt: niemals, auch nicht ein einziges Mal, einen Reporter zu belügen. Einen Kommentar zu verweigern oder Dinge zu verheimlichen war eine Sache; seine Glaubwürdigkeit bis ans Lebensende zu zerstören etwas völlig anderes, und dabei war gerade das so einfach.
Deshalb hatte er so unauffällig wie möglich die Laborergebnisse bestätigt und seine Glaubwürdigkeit bewahrt – was immer ihm das nun auch noch nutzte.
Bestürzung und Trauer waren über den Planeten schon hinweggefegt, bevor die Ergebnisse in die Nachrichten kamen. Trotz der alten Tradition der Gutsunabhängigkeit kamen die Menschen in Zeiten der Not ihren Nachbarn beinahe instinktiv zur Hilfe. Aber für das wenige, was man für die Opfer und ihre Familien noch tun konnte, hatten Muellers interne Mittel durchaus gereicht, und deshalb gab es für Außenstehende keine Möglichkeit zu helfen. Das hatte die Trauer und das Mitgefühl des restlichen Planeten nur verstärkt. Die Kombination aus religiöser und planetarischer Umwelt hatte dazu geführt, daß sich die Graysons geradezu auf genetischer Ebene zur Hilfeleistung gezwungen sahen – einer der Aspekte, die Benjamin an seinen Untertanen am meisten schätzte. Aber da sie in diesem Fall nicht helfen konnten, fühlten sie sich, als hätten sie in irgendeiner Weise versagt, und sie hätten nichts Schlimmeres empfinden können. Menschen, die sich bereits vage schuldig fühlten, traten jemandem, dessen Schuld echt war und außer Frage stand, natürlich wütender als sonst gegenüber.
Und wie die Ergebnisse der Laboruntersuchungen und die Inspektionen deutlich machten, war zweifelsohne jemand schuldig. Die Stützpfeiler für die Kuppel über der Winston-Mueller-Middle-School waren scheinbar perfekt in hochwertige Betokeramik gesetzt worden; bei den meisten traf dies auch tatsächlich zu, bei einigen wenigen jedoch nicht. Noch herzzerreißender erschien der Umstand, daß die Probleme mit der Betokeramik einzig und allein auf nachlässige Qualitätskontrollen zurückzuführen waren. Das Material war aus den richtigen Grundsubstanzen im richtigen Verhältnis zusammengemischt worden. Soweit Benjamins Experten feststellen konnten, war es zu der Katastrophe gekommen, weil die Mischung nicht richtig durchgeschmolzen worden war, ein dummer, unverzeihlicher und leicht zu vermeidender Fehler, der nur – wie die Reporter unterstrichen – mit mangelhaftem Gerät oder grob unzureichender Ausbildung der Arbeiter erklärt werden konnte. Entweder waren die Schmelzer defekt gewesen, oder die Arbeiter hatten nicht gewußt, was sie taten. In beiden Fällen lastete die Schuld einzig und allein auf dem Management von Grayson Sky Domes Ltd.
Gier – so lautete das Urteil der Medien. Sky Domes sei zu gierig gewesen, um in
Weitere Kostenlose Bücher