Honor Harrington 5. Im Exil
hinreichende Gerätewartung zu investieren. Oder die Firma habe ihre Belegschaft zu schnell erneuert und nur halb oder sogar überhaupt nicht ausgebildete Arbeitskräfte eingesetzt – auch das nur aus Gewinnsucht, deshalb waren alle angebotenen Verträge angenommen worden. Und zum Teufel , dachte Benjamin, wie soll man diese Beschuldigung entkräften? Der Beweis lag in Form der unzureichend abgebundenen Betokeramik vor, und diese Entdeckung hatte planetenweit zu Panik geführt. Von den dreiundzwanzig Bauvorhaben, die Sky Domes gegenwärtig fertigstellte, waren acht von den Kunden ausgesetzt und die anderen fünfzehn unumwunden gekündigt worden. Niemand hatte beachtet, daß Sky Domes von sich aus einen allgemeinen Baustopp verhängt hatte, noch bevor die Auftraggeber überhaupt reagierten. Benjamin wußte, daß der Befehl dazu von Honor Harrington persönlich stammte. Sie hatte untersagt, mit irgendeinem Projekt fortzufahren, bis sie wußte, was auf Mueller geschehen war, und bis sie Gewißheit hatte, daß das gleiche sonst nirgendwo mehr geschehen würde. Niemanden schien das zu interessieren – obwohl die Nichterfüllungsklauseln in den Verträgen Lady Harringtons außerweltliches Vermögen aufzehren würden, sollte sie die Aufträge nicht fertigstellen. Indem sie den Stopp befahl, setzte sie jeden Pfennig, den sie besaß, aufs Spiel, aber die öffentliche Meinung wußte nichts Besseres zu tun, als sich lauthals über die »Gier« zu beklagen, mit der sie das Leben von Kindern in Gefahr gebracht habe!
Eine Katastrophe im wahrsten Sinne des Wortes. Die früheren Angriffe auf Lady Harrington fanden plötzlich weite Verbreitung, und ihre Rolle als Retterin des Planeten zählte gegenüber der Anklage des Kindermordes nicht mehr das geringste. Selbst einige ihrer eigenen Siedler schreckten davor zurück, jemanden zu unterstützen, dem dieses Verbrechen zur Last gelegt wurde, und Lady Harringtons Feinde schürten mit wilder Begeisterung das Feuer.
Unglaublichen Schaden hatte die erste Pressekonferenz des trauergebeugten Gutsherrn Mueller nach dem Kuppeleinsturz hervorgerufen. Als er den Reportern gegenübertrat, waren die Rettungsmannschaften noch im Einsatz. Die Sicherheitsinspektoren hatten noch nicht mit den Untersuchungen begonnen, und Mueller war sehr behutsam gewesen und hatte auf niemanden mit dem Finger gezeigt. Aber schon die Art, in der er das so deutlich vermied, die Art, wie er sich dagegen verwahrt hatte, Lady Harrington irgendeinen Fehler anzulasten, hatte viele Menschen erst recht von ihrer Schuld überzeugt. Und nachdem die Ergebnisse der Inspektoren veröffentlicht waren, hatte sich Muellers Trauer in Wut auf diejenigen gewandelt, die für die Katastrophe verantwortlich waren.
Nicht, daß er der einzige gewesen wäre, der nach Bestrafung der Schuldigen schrie. Binnen einer Stunden nach dem Einsturz der Kuppel hatte Lord Burdette Sky Domes und Lady Harrington brutal angegriffen und die Folgen angeprangert, die es habe, wenn man einer Frau erlaubte, die Befugnisse eines Mannes zu übernehmen. Und während die meisten graysonitischen Geistlichen noch Gottesdienste abhielten, in denen für die Opfer der Katastrophe und ihre Familien gebetet wurde, predigte Edmond Marchant bereits von der widerrechtlich angeeigneten Kanzel der Burdetter Kathedrale aus Gift und Galle – und in der Kirche war es nun bei jeder feurigen Mahnrede brechend voll.
Im Augenblick, befand Benjamin grimmig, konnte er die Ereignisse noch im Zaum halten – noch. Die Wut gegen Honor Harrington schaukelte sich zu einem vernichtenden Orkan auf, und wenn die Sturmflut ans Ufer brandete, dann konnte alles, was Benjamin Mayhew in langen Kämpfen auf seinem Planeten erreicht hatte, in der allgemeinen Verwüstung mit davongefegt werden.
»Das ist aber seltsam.«
Das leise Murmeln lenkte Adam Genicks Aufmerksamkeit vom Terminal ab. Stuart Matthews, der Leiter des Musteranalyseteams, stand über ein detailliertes holographisches Modell der zusammengebrochenen Kuppel gebeugt und betrachtete es stirnrunzelnd. Das entsetzliche Durcheinander der Verwüstung lag unbeschönigt offen; wenigstens wurden die Leichen nicht mit dargestellt. Gerrick war dafür sehr dankbar, obwohl sein Verstand die zerschmetterten Opfer selbst jetzt noch automatisch einfügte. Erneut durchfuhr ihn ein Gefühl des Elends, als ihm die letzten Sekunden im Leben eines lächelnden Mädchens in den Sinn kamen.
»Was?« fragte er mit krächzender Stimme. Seine Augen
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