Honor Harrington 5. Im Exil
auch sein mochten, Theisman bezweifelte sehr, daß die Graysons ihre Ansicht teilen würden. Nein, wenn Harrington im Jelzin-System war, dann mußte die GSN ihr mittlerweile eine Bestallung angeboten haben. Und wenn man bedachte, wie dringend die Navy von Grayson erfahrene Offiziere brauchte, war Harrington die Rangstufenleiter wahrscheinlich noch höher hinaufgefallen als er und trug noch mehr dicke Streifen am Ärmel.
Falls »Versteckpferd« tatsächlich erfolgreich verlaufen war, dann saß sie natürlich mit ihren graysonitischen Wallschiffen im Casca-System. Wenn das Unternehmen hingegen gescheitert war, dann bestand die Chance, daß er ihr erneut gegenüberstehen würde, und diesmal hätte sie einen oder zwei Superdreadnoughts dabei. Das würde bestimmt spaßig werden! Alexander Thurston wäre trotz seines Ehrgeizes und seines Planungsgeschicks Harrington niemals gewachsen, wenn die Kacke erstmal ins Dampfen geriet. Theisman war es zwar einmal gelungen, sie für dumm zu verkaufen, aber er war sich nur allzu deutlich bewußt, daß er das sehr glücklichen Umständen zu verdanken gehabt hatte. Wenn sie im Jelzin-System das Kommando hatte und über auch nur ein Großkampfschiff verfügte, dann würde Kampfverband Vierzehn nicht unbeschadet bleiben.
Aber selbst dann würden sie das Unternehmen durchführen, sagte er sich. Ganz gleich, wie gut Harrington war, sechsunddreißig Schlachtschiffe würden ja wohl ausreichen, um mit den zwei oder drei Superdreadnoughts fertigzuwerden, die Grayson zur Heimatverteidigung zurückgehalten haben konnte.
Theisman nickte, grimmig belustigt über seinen fast schon abergläubischen Respekt vor Honor Harrington, dann ließ er sich in den Kommandosessel sinken. Wie auch immer, in vier Tagen würde alles vorbei sein.
»Dieses Miststück!« Lord Burdette knallte die Fäuste auf den Schreibtisch, dann sprang er vom Stuhl hoch. »Diese hinterlistige Satanshure! Wie? Wie hat sie das geschafft?«
Edmond Marchant bemühte sich, so klein und unscheinbar zu wirken, wie es ihm nur möglich war, während der Gutsherr in seinem Büro umherstapfte wie ein wildes Tier im Käfig. Burdettes normalerweise recht ansehnliches Gesicht war vor Wut – und Furcht – zu einer häßlichen Fratze verzerrt. Der Geistliche dachte über die Neuigkeiten nach, die ihnen von den Verbindungsleuten des Gutsherren im Justizministerium übermittelt worden waren, und spürte, wie sich eine eisige Faust um sein Herz schloß.
Ein Umstand an diesen Informationen trieb Marchant beinahe zur Raserei – und versetzte ihn in Furcht: sie waren fragmentarisch. Aaron Sidemore hatte gute Arbeit geleistet beim Ersetzen der Ministerialmitarbeiter, die Burdette treu ergeben gewesen waren; keiner aus der Handvoll von Bürokraten, die sich noch der früheren Verpflichtung gegenüber dem Gutsherrn erinnerten, gehörten der kleinen, straffen Sonderkommission an, die der Councilman ins Leben gerufen hatte. Burdette und Marchant hatten nur Bruchstücke erhalten, aber selbst die klangen schon schlimm genug. Die Frage, die der Lord leidenschaftlich herausgebrüllt hatte, ging auch Marchant immer wieder durch den Kopf.
Wie hatten sie es herausgefunden? Wie hatte Sky Domes das Geschehen rekonstruieren können, obwohl der Firma jeglicher Zugang zur Stätte des Unglücks verweigert worden war? Die Ingenieure, die das Unternehmen geplant hatten, waren von Marchant persönlich ausgesucht worden. Die Männer hatten exakte Kopien der Originalpläne erhalten und ihm geschworen – bei ihren Seelen –, daß die Sabotage selbst bei einer eingehenden Untersuchung der Unglücksstelle fast unmöglich zu entdecken sei. Wie hatte Sky Domes aus der Entfernung überhaupt herausgefunden, daß der Einsturz absichtlich herbeigeführt worden war, geschweige denn den genauen Hergang?
Satan. Es mußte sich um unmittelbare dämonische Eingebung handeln. Die eisige Faust quetschte sein Herz noch fester. Marchant hatte gewußt, daß der Teufel kämpfen würde, um seine Werkzeuge zu schützen, aber wie war selbst ihm so etwas gelungen? Waren nicht er und sein Gutsherr Streiter für den Herrn? Würde Gott sich von Satan besiegen lassen?
Nein! Der Herr würde das niemals geschehen lassen! Es mußte einfach noch einen Weg geben, und seine Prüfung bestand darin, ihn zu finden. Aber wie?
Er schloß die Augen zum Gebet und flehte Gott an, ihm die Antwort zu geben, während er gleichzeitig immer wieder die Bruchstücke durchdachte, die er erfahren
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