Honor Harrington 5. Im Exil
Harringtoner Gutsgarde hatte es eilig. All die Hetze um die Ankunft der Gutsherrin hatte ihn aufgehalten, und nun kam er über fünfzehn Minuten zu spät zur Wachablösung. Zweifellos fragte sich Armsman Sully, wo zum Teufel er nur blieb, und das konnte er dem Jungen nicht einmal verdenken.
Im Laufschritt bog er um die letzte Ecke; er beeilte sich, um Sully zu demonstrieren, daß auch Unteroffiziere sich ihrer Verpflichtungen durchaus bewußt waren. Dann verlangsamte er, blieb stehen und spürte, wie sein Mitgefühl plötzlich aufwallendem Zorn wich. Wo zum Teufel steckte der Kerl? Auch wenn die Ablösung zu spät kam, war das noch lange kein Grund, davonzurennen und den Posten unbewacht zu lassen! Wenn er den jungen Blödmann in die Hände bekam, dann würde er ihn …
Seine innerliche Tirade brach ab, als die Erkenntnis seine Verärgerung einholte. Frederick Sully war kein »Blödmann«. Jung zwar, aber gut ausgebildet und sehr aufmerksam. Er war in Rekordzeit zum Armsman Erster Klasse befördert worden, und Whitehead und sein Zugfeldwebel hatten ihn bereits für eine weitere Beförderung im Auge. Auf keinen Fall würde Sully einfach seinen Posten verlassen, und schon gar nicht, wenn der gesamte Raumflughafen sich in Alarmbereitschaft befand. Im Moment waren auf dem Raumflughafen alle sehr empfindlich, und die Waffenträger der Gutsherrin waren nicht bereit, in bezug auf Lady Harringtons Sicherheit auch nur das geringste Risiko einzugehen.
Aber wenn Sully nicht einfach weggegangen war, dann … Der Corporal griff nach seinem Com.
»Sicherheitsalarm! Hier Corporal Whitehead an Tor Fünf! Bin soeben eingetroffen, keine Spur vom Posten!« Noch etwas fiel ihm auf, und er runzelte die Stirn. Dann fluchte er leise, denn er hatte etwas gesehen, ohne es wahrzunehmen, und nun schoß es ihm durch den Kopf. »Zentrale, hier noch mal Whitehead. Auf dem Hangarvorfeld ist ein Flugwagen der Garde abgestellt, auf Platz Sieben Neun Drei. Ist das genehmigt?«
Zur Antwort erhielt er das plötzliche, durchdringende Jaulen des Sicherheitsalarms auf dem gesamten Gelände.
»Gütiger Prüfer!« keuchte Taylor, als die Sirenen aufheulten, und Martin verbiß sich einen ähnlichen Ausruf. Die letzten Worte des toten Postens schossen ihm durch den Kopf: Es sei einsam, hatte er gesagt, »aber meine Ab …« – seine Ablösung … sie stand kurz bevor!
»W-was machen wir denn jetzt, Ed?« stotterte Taylor. Der Ex-Sergeant bedachte ihn mit einem gelassenen Blick.
»Wir führen Gottes Werk durch«, sagte er ruhig über das Heulen des Alarms hinweg, »und wenn der Herr wünscht, daß wir lebend entkommen, dann wird es so geschehen. Lade den Starter.«
Master Chief Coxswain Gilbert Troubridge gehörte zur Navy, nicht zur Harringtoner Garde, doch auch die Navy ermutigte ihre Piloten nicht gerade, in bezug auf die Sicherheit von Flaggoffizieren irgendwelche Risiken einzugehen. Um genau zu sein, war sich Troubridge der Spannungen auf dem Planeten so bewußt wie jeder andere, und so war sein Com mit den Signalnetzen des Raumflughafens als auch der Harringtoner Gutsgarde verbunden.
»Sicherheitsalarm?« Er drehte sich auf dem Sitz um und funkelte seinen Signalgasten an. »Welche Sorte Sicherheitsalarm, verdammt?«
»Weiß ich nicht, Gil«, gab der Matrose knapp zurück.
»Ein Corporal von der Garde war gerade im Netz. Er sagte was von einem unbewachten Tor.«
»Scheiße!« Die Pinasse befand sich bereits auf dem Landeanflug. Wenn Troubridge diesen Vorgang abbrechen mußte, dann konnte der Kontragrav das Beiboot nach oben heben, als wäre es ein heimwehkranker Meteorit, aber er besaß zu wenig Informationen, um zu entscheiden, ob das notwendig oder überhaupt eine gute Idee war.
Master Chief Troubridge traf eine Entscheidung.
Die Ortungsgeräte einer Flottenpinasse würden die Flugleitsysteme und Luftraumüberwachung des Raumhafens zwar in den Wahnsinn treiben, aber er hatte eine Admiralin an Bord, die zufällig auch noch Gutsherrin war.
Er drückte einen Knopf auf dem Instrumentenbrett.
»Suche Ziel … suche Ziel … suche Ziel …«
Taylors Singsang zerrte ganz fürchterlich an Martins Nerven, aber er hielt sich zurück und verzichtete darauf, den jüngeren Mann anzubrüllen, er solle die Schnauze halten. Sie beide würden in zehn Minuten wohl nicht mehr leben, und er wollte nicht vor Gott treten, nachdem er einen Mann verflucht hatte, der Seinen Willen verrichtete.
»Ziel erfaßt!« brüllte Taylor plötzlich und
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