Honor Harrington 5. Im Exil
vorhatte, warf er sich zwischen Lady Harrington und ihren Mörder, und so – dadurch , Mylords – ist unser Reverend gestorben. Er gab sein Leben hin, um eine Unschuldige zu schützen, wie alle, die sich gottesfürchtig nennen, es getan hätten, wenn der Prüfer, der Fürbitter und der Tröster es von ihnen verlangt.«
Er schwieg und hob die Hand, als wolle er ein Zeichen geben. Die Stille in der Kammer war erneut präsent wie ein Lebewesen, und die in die Zange genommenen Gutsherren fragten sich, was dieses Zeichen des Protectors zu bedeuten habe. Dann öffneten sich, für alle unerwartet, erneut die massiven Türflügel, und Honor Harrington trat zwischen ihnen hindurch.
Das Klacken ihrer Absätze hallte und echote durch die Stille, während sie wie eine hohe, schlanke, grüne und weiße Flamme die gesamte Länge der steingefliesten Kammer durchschritt. Auf ihrer Brust glitzerte der Schlüssel von Harrington unter dem Stern von Grayson, und das scharlachrote Band des Sterns war mit dunkleren Flecken besprenkelt, deren Herkunft jeder einzelne Anwesende sofort erriet. Die dunkle Naht eines tiefen Schnitts, der bereits auf die Eiltherapie ansprach, zog sich über ihre Stirn, und ihre rechte Wange war brutal angeschwollen und verfärbt. Das flauschige Fell des Baumkaters, der auf ihrer Schulter saß, war angesengt und verbrannt, aber dennoch hielt er den Kopf genauso erhoben wie sie und blickte, ebenfalls wie sie, den Protector direkt an. Es war geradezu, als wären die Gutsherrin und ihr Baumkater mit Benjamin allein im Saal. Die Qual in ihren Augen – die Trauer um ihre toten Leute und dazu die um den sanften und mitfühlenden Mann, der für sie sein Leben gegeben hatte – war eine Last, der sich kein Mann dort stellen konnte. Die Gutsherren starrten sie an, vor Scham, Trauer und Furcht wie erstarrt; Honor ignorierte sie alle und trat vor den Thron Benjamins IX.
»Euer Gnaden, ich wende mich an Sie und bitte um Gerechtigkeit.« Ihre Sopranstimme klang wie blanker Stahl, aber der Schmerz darin war noch tiefer als der Schmerz in ihren Augen. »Bei dem Eid, den ich Ihnen geleistet habe, berufe ich mich auf den Ihren gegenüber mir. Ich schwor, mich vor meine Leute zu stellen und sie zu schützen, und benötige nun Ihre Hilfe, um meinen Eid halten zu können. Denn der, der meine Siedler getötet und verstümmelt hat, trägt den Schlüssel eines Gutsherrn, und ich kann ihn nicht belangen, während er sich hinter dem Schutz seines Amtes versteckt.«
Der ganze Saal hielt den Atem an, als das Plenum den formellen Appell an die Rechtsprechung des Protectors erkannte, der in dieser Kammer seit Generationen nicht mehr vernommen worden war. Dann antwortete Benjamin:
»Bei dem Eid, den ich Ihnen geschworen habe, würdige ich Ihr Verlangen nach Gerechtigkeit, Mylady. Wenn ein Mann in dieser Kammer Sie oder die Ihren verletzt hat, so benennen Sie ihn, und wenn Sie seine Verbrechen beweisen können, dann soll er, ob Gutsherr oder nicht, sich nach den Gesetzen Gottes und des Menschen dafür verantworten.«
William Fitzclarance starrte entsetzt auf die Frau vor dem Thron, denn er wußte, was nun folgen würde. Trotz seiner Bestürzung über den Tod des Reverends wußte er es genau. Mayhew hätte es niemals so weit kommen lassen, wenn die Hexe keinen Beweis besessen hätte, und sein Versprechen der Gerechtigkeit war ein Todesurteil.
»Euer Gnaden, ich habe Beweise«, sprach Honor, und in ihr verschmolzen der Schmerz über den Tod von Julius Hanks, Adam Gerrick, Jared Sutton, Frederick Sully, Gilbert Troubridge und einundneunzig anderen Männern und Frauen mit einer Wut, die ebenso tief und bitter war wie die irgendeines Mannes in der Kammer. Dann kehrte sie dem Thron endlich den Rücken zu und blickte Burdette direkt an.
»Ich benenne als meinen Feind William Allen Hillman Fitzclarance, den Gutsherrn von Burdette«, sagte sie mit einer Stimme, die kälter war als das Herz des Weltraums.
Ihr Baumkater fauchte und bleckte die Zähne. Burdette wurden die Knie weich, als jedes Auge in der Kammer sich ihm zuwandte, und er fühlte sich, als schlossen sich die Stahlbacken einer Falle um ihn. »Ich bezichtige ihn des Mordes, des Hochverrats, des versuchten Mordes an mir, des vielfachen Kindermordes und des Todes von Reverend Julius Hanks. Vorlegen will ich Ihnen das beglaubigte und gesiegelte Geständnis eines gewissen Edward Julian Martin vom Gut von Burdette, freiwillig abgelegt nach den Vorschriften des Schwertes und der
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