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Honor Harrington 5. Im Exil

Honor Harrington 5. Im Exil

Titel: Honor Harrington 5. Im Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Auftrag gegeben, aber noch nie eigenhändig getötet – genausowenig, wie er jemals einem designierten Opfer gegenübergestanden hatte, das eine Waffe in der Hand hielt.
    Burdette trat mit dem arroganten, selbstsicheren Gang des Eroberers vor sie. Dann hielt er inne, um eine kurze Lockerungsübung durchzuführen, und sie beobachtete ihn dabei ungerührt. Ob er überhaupt den Unterschied zwischen einem Fechtwettkampf und einem Duell begriff? Fechten war wie ein Trainings-Kata beim Coup de vitesse . Es diente dazu, die Bewegungen zu perfektionieren und zu üben, aber man benutzte sie niemals. Und im Fechtsaal war ein Treffer nur ein Treffer, weiter nichts.
    Burdette beendete seine Lockerungsübungen, und die selbstsichere Stimme in seinem Kopf lachte spöttisch, als die Hexe Fechthaltung einnahm. Sie ging in Sekondeinladung, die Klinge leicht diagonal ausgestreckt, den Griff knapp über der Taille und die Spitze auf den Boden gerichtet. Sie schonte ihre rechte Seite und versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen – vielleicht die Verletzung, die Mayhew erwähnt hatte? Wenn ja, dann erklärte das ihre Haltung, denn die Sekondeinladung belastete die Muskeln dort am wenigsten.
    Aber wie schon sein allererster Schwertmeister ihn gelehrt hatte, war die Verteidigungsstellung eine Haltung von Schwäche. Sie lud den Gegner zum Angriff ein, anstatt den Kämpfer selber in eine Angriffsposition zu bringen. Er brachte die Schwertklinge hoch und nahm die aggressive Primeinladung ein, das Gewicht gleichmäßig verteilt, den rechten Fuß angewinkelt und leicht zurückgestellt, den Knauf gerade über Augenhöhe, so daß er Harrington deutlich sehen konnte, während seine Klinge schwebend darauf wartete zuzuschlagen.
    Honor beobachtete ihn mit den Augen einer Frau, die fast vierzig Jahre lang den waffenlosen Kampf trainiert hatte. Die selbstsichere Lockerung, die sie in all diesen Jahren auf die harte Tour erlernt hatte, vibrierte in ihr. Sie spürte ihre Müdigkeit und den Schmerz der gebrochenen Rippen, den Schmerz in den geprellten Muskeln und die Steifheit ihrer linken Schulter, aber dann befahl sie ihrem Körper, auf all das nicht mehr zu achten, und ihr Körper gehorchte.
    In der ersten Trainingswoche hatte Meister Thomas ihr zwei Begriffe beigebracht: die ›Dominanz‹ und die ›Falte‹, so hatte er sie genannt. Die ›Dominanz‹ umfaßte den Wettstreit des Willens, den Krieg der Selbstsicherheit, der vor dem ersten Streich geführt wurde, um festzustellen, wer psychologisch über den anderen vorherrschte. Die ›Falte‹ hingegen war etwas ganz anderes: Der Begriff bezog sich auf das leichte Kräuseln der Stirn im entscheidenden Moment. Selbstverständlich sei »Falte« nur ein bequemes Etikett für einen unendlichen Satz an Möglichkeiten, hatte Meister Thomas betont, und Wettbewerbsfechter forschten vor einem Kampf intensiv über ihre Gegner nach, denn obwohl das Signal sehr subtil sein konnte, ging es doch stets um das gleiche. Jeder Schwertkämpfer besaß es; es war etwas, das er sich einfach nicht abtrainieren konnte. Aber weil es so viele verschiedene Möglichkeiten für diese ›Falte‹ gab, hatte Meister Thomas erklärt, während sie im Sonnenlicht auf dem Hallenfußboden saßen, bevorzugten die meisten Schwertkämpfer die Dominanz gegenüber der Falte. Denn es war einfacher und sicherer, den Willen des Gegners zu brechen als nach einem Zeichen zu suchen, daß man vielleicht erkannte, wenn man es sah, vielleicht aber auch nicht.
    Aber der echte Schwertmeister , hatte er an diesem ruhigen Tag betont, sei der, der gelernt habe, sich nicht auf die Schwäche des Gegners, sondern auf die eigene Stärke zu verlassen. Dazu mußte man den Unterschied zwischen dem Fechtsaal und der Situation, in der sich Honor nun befand, verstanden haben – zwischen der Fechtkunst und dem Schwertkampf auf Leben und Tod –, und dann ging man stets nach der Falte und nie nach der Dominanz vor.
    Honor wußte, daß sie länger gebraucht hatte, um den Sinn dieses Vortrags zu erfassen, als jemand mit ihren Erfahrungen hätte brauchen sollen. Aber nachdem sie ihn einmal verstanden und die Bibliotheksinformationen über Japan durchgearbeitet hatte, begriff sie, warum – sowohl auf Grayson als auch auf den Inseln der alten Samurai – ein echtes Duell fast immer mit einem einzigen Streich begann und endete.
    Als Harrington einfach stehenblieb, flackerte eine Spur Verwirrung durch Burdettes Bewußtsein. Auch er war über die Dominanz und die

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