Honor Harrington 5. Im Exil
Stimulanzien beruhte. Aber darunter lagen noch andere Emotionen.
Diesmal war es ganz anders als nach dem Duell mit Pavel Young. Damals hatte sie nichts als … Erleichterung empfunden. Das grimmige Gefühl, eine Angelegenheit ein für allemal beendet zu haben, ja, aber nicht mehr als das, denn sie hatte gewußt, daß nichts in der Welt ihr Paul zurückgeben könnte. Young zu töten, war etwas gewesen, das sie einfach tun mußte – etwas, das sie nicht hätte unterlassen können , aber irgendwie war ihr die Tat ebenso leer vorgekommen wie Young selbst. Geändert oder gar geheilt hatte Youngs Tod nichts. Und er hatte auch nichts verhindert.
Diesmal war es anders. Burdettes Tod konnte seine Verbrechen ebensowenig wiedergutmachen wie damals Young, aber im Gegensatz zu Young hatte William Fitzclarance eine Gefahr für andere bedeutet: eine Gefahr für Benjamin Mayhew und seine Reformen – und für all die anderen Menschen, die er im Dienste seines Fanatismus bedenkenlos vernichtet hätte. Fitzclarance würde niemanden mehr gefährden. Wenigstens das habe ich erreicht , sagte sie sich. Sie hatte verhindert, daß Burdette jemals wieder tötete, und dieses Mal war keine Stimme laut geworden, die sie für ihre Tat verurteilte. Ja, sie hatte Burdette umgebracht, aber sie hatte als Gutsherrin und Champion gehandelt und die Rechtsgewalt ausgeübt, die ihr somit in völliger Übereinstimmung mit dem Gesetz zustand. Und gleichzeitig hatte sie ihre Pflicht gegenüber dem Protector erfüllt, wie sie es ihm geschworen hatte.
Sie seufzte, lehnte sich zurück und drückte Nimitz eng an sich. Seine wilde Zustimmung spürte sie deutlich. In seinen Gefühlen gab es keine Vorbehalte, denn Baumkatzen dachten erheblich unkomplizierter als Menschen und befolgten bei all ihrer Intelligenz stets einen simplen Kodex. Jene, die sie oder die von ihnen adoptierten Menschen bedrohten, teilten die Baumkatzen in lediglich zwei Kategorien ein: zum einen die, um die man sich bereits hinlänglich gekümmert hatte, zum anderen die, welche noch lebten. Nimitz nahm hin, daß es manchmal unmöglich war, sich um Honors Feinde hinlänglich zu kümmern, denn die Menschen befolgten eine große Vielfalt oft alberner philosophischer Konventionen. Wenn es denn aber doch einmal ging, so schmälerten all die unerledigten Fälle seine Zufriedenheit nicht im geringsten. Und im Endeffekt war für ihn ein toter Feind nichts, worum man sich noch tiefschürfende Gedanken machen brauchte.
Nicht zum ersten Mal wünschte sich Honor, daß ihre Gefühle doch auch so schlicht und direkt sein sollten, aber das waren sie leider nicht. Sie empfand zwar keine Reue, Burdette getötet zu haben, aber dennoch war sein Haß auf sie der Katalysator für all seine Mordtaten gewesen, und sie hatte ihn nicht rechtzeitig aufhalten können. Auf intellektueller Ebene erkannte sie durchaus, wie dumm es war, sich die Schuld an seinem Fanatismus zu geben; emotional fiel es ihr sehr schwer, sich nicht auf irgendeine Weise verantwortlich zu fühlen. Ganz gleich aber, wer nun die Schuld trug: Burdettes Tod machte keine seiner Taten ungeschehen – genausowenig, wie das Schwert auf dem Sitz neben ihr jemals die Leere füllen konnte, die Julius Hanks in ihrem und im Leben von Grayson hinterlassen hatte. Und deswegen , folgerte sie, hat Nimitz diesmal unrecht. Manche Schulden konnte kein Tod bezahlen, und sie war des Todes so müde.
Bald würden sie die Terrible erreichen, und all diese Männer und Frauen in Uniform würden sie schmerzvoll daran erinnern, wie Jared Sutton gestorben war. Trotzdem sehnte sie sich danach, wieder an Bord zu sein. In Honors Leben gab es zu viele Tote, für die sie Trauer empfand; kein Ort konnte frei sein von Dingen, die sie daran erinnerten, aber ihr Flaggschiff war ihr immerhin auch eine Zuflucht, eine Welt, die sie begriff und die ihr Unterschlupf bot, während ihr Leib sich erholte und die Wunden ihrer Seele verheilten. Sie wußte nur zu gut, wie dringend nötig sie diese Zuflucht nun hatte.
Im Beiboothangar standen Mercedes Brigham und Alfredo Yu auf der Galerie. Dieses eine Mal war niemand zur Seite angetreten, und es gab auch keine Ehrenwache der Marineinfanterie; ganz so, wie Lady Harrington es sich erbeten hatte. Nur ihr Flaggkommandant und ihre Stabschefin erwarteten sie, was einen groben Verstoß gegen die Etikette jeder Navy darstellte, aber das war ihnen allen im Moment gleichgültig.
Die Luke der Andockröhre öffnete sich, und die beiden Captains
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