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Honor Harrington 5. Im Exil

Honor Harrington 5. Im Exil

Titel: Honor Harrington 5. Im Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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plötzlich unmittelbar neben dem Fremdenschiff, und so konnte Honor gleich neben dem Stuhl sitzen, der nominell ihr gebührte.
    Diese Veränderung hätte Honor niemals verlangt, aber sie war gerührt von der Weise, wie die Harringtoner sie akzeptierten. Schließlich hätten sie die Abweichung vom allgemeinen Bauplan auch als Affront auffassen können; statt dessen verglichen sie gern ihre Kirche mit anderen Kathedralen – und stets kamen die konventionelleren Gotteshäuser schlecht dabei weg. Außerdem, so behaupteten die Harringtoner, sei in ihrer Kirche die Akustik besser.
    Diese Gedanken brachten Honor zum Lächeln, aber sie wurde wieder ernst, als Reverend Hanks vor dem Altar niederkniete und zur Kanzel ging. Jedes der achtzig Güter auf Grayson besaß eine eigene Kathedrale in der Hauptstadt, und nach alter Tradition hielt der Reverend an jedem Sonntag in einer anderen den Gottesdienst ab und arbeitete sich im Laufe der Wochen und Monate durch alle Güter. Einst mußte das ein furchtbar anstrengender Zyklus gewesen sein, aber die modernen Transportmittel nahmen der Reise viel von ihrem Schrecken. Reverend Hanks hatte seine Planung völlig umgestellt, um an diesem Tag hier zu sein, und wie jeder andere in der Kathedrale fragte sich auch Honor, welchen Grund er dafür hatte.
    Hanks stieg die Stufen zur hohen Kanzel hinauf und blickte auf die Gemeinde herab. Er trug ein weißes Chorhemd, das durch das Licht, das durch die Buntglasfenster der Kathedrale fiel, farbig schillerte. Die scharlachrote Stola seines hohen Amtes funkelte hell, als er das große, in Leder gebundene Buch aufschlug und das Haupt beugte.
    »Erhöre uns, Herr«, betete er, und seine Stimme scholl ohne elektronische Verstärkung durch die Kirche, »und mögen unsere Worte und Gedanken Dir immer wohlgefällig sein. Amen.«
    »Amen«, antwortete die Gemeinde, und Hanks hob den Kopf.
    »Die heutige Predigt«, sagte er ruhig, »ist dem ›Neuen Weg‹, Meditationen sechs, Kapitel drei, Vers neunzehn bis zweiundzwanzig entnommen.« Er räusperte sich und rezitierte die Passage, ohne in das aufgeschlagene Buch zu blicken. »›Wir werden sowohl für unsere Taten bekannt sein als auch für die Worte aus unserem Mund, denn sie sind das Echo unserer Gedanken. Daher laßt uns immer die Wahrheit sprechen und uns nicht fürchten, unser Inneres zu zeigen. Aber laßt uns auch die Barmherzigkeit nicht vergessen, noch, daß alle Menschen gleich uns Kinder Gottes sind. Niemand ist ohne Fehler, jeder kann irren; daher soll niemand seinen Bruder oder seine Schwester mit maßlosen Worten angreifen, sondern mit ihnen sprechen und immer bedenken, daß bei allem, was unsere Worte nach außen tragen, Gott stets den Gedanken dahinter kennt. Versucht nie, Ihn zu täuschen oder verhüllt von Spaltung oder Haß aus Seinem Wort zu predigen, denn alle, deren Seelen rein sind – ja, auch selbst die, welche dem Neuen Wege fremd bleiben –, sind Seine Kinder, und wer mit Bosheit oder Haß versucht, einem Kind Gottes zu schaden, dient der Verderbtheit und ist den Augen unseres Vaters zuwider.‹«
    Der Reverend hielt inne. Vollkommene Stille breitete sich in der Gemeinde aus, und Honor spürte, daß sich aus allen Winkeln der Kirche die Augen auf sie richteten. Niemand, der die Ausschreitungen gegen sie gesehen oder gehört hatte, konnte die Herausforderung mißverstehen, die Hanks mit seiner Textauswahl an ihre Gegner aussprach, oder in Zweifel ziehen, daß der Reverend ihn mit Bedacht ausgewählt hatte. Honor merkte, daß sie in der Tat den Atem angehalten hatte.
    »Brüder und Schwestern«, fuhr Hanks nach einem Augenblick fort, »vor vier Tagen vergaß in dieser Stadt ein Mann Gottes die Pflicht, die ihm durch diese Passage des ›Neuen Weges‹ auferlegt wird. Von Wut erfüllt vergaß er, seine Brüder und Schwestern in Frieden zu lassen, und daß wir alle vom Herrn als Seine Kinder erschaffen wurden. Statt des Gesprächs wählte er den Angriff und ließ die Worte Sankt Austins außer acht, daß Männer – und Frauen – auch dann gottesfürchtig sein können, wenn sie den Herrn auf andere Weise verehren als wir. Sich daran zu erinnern, kann für jeden, der vom Glauben erfüllt ist, schwierig sein, denn wir kennen unseren Weg zu Gott, und anders als Gott sind wir weder unendlich noch allwissend. Allzu leicht vergessen wir, daß auch andere Wege zum Herrn führen. Auch entsinnen wir uns häufig nicht, wie beschränkt unsere Wahrnehmung ist im Vergleich zu der Gottes, und

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