Honor Harrington 5. Im Exil
ihrer militärischen Laufbahn hatte sie stets das einfache, bequeme Barett der RMN getragen. Die hohe, mit einem Schirm versehene graysonitische Uniformmütze schien wenigstens drei Kilo zu wiegen und würde niemals in einen Helm passen. Natürlich trug man bei der GSN keine Kopfbedeckung unter dem Helm, aber das half Honor nicht: Sie wurde das Gefühl nicht los, daß daran etwas nicht richtig war.
Innerlich schnaufte sie verächtlich darüber, sich über solche Kleinigkeiten Sorgen zu machen, aber wenn sie ehrlich war, mußte sie zugeben, daß sie sich in der ungewohnten, fremdartigen Uniform wie eine Schauspielerin vorkam. Ohne Zweifel würde sie sich schließlich an die seltsame Garderobe gewöhnen, aber sie trug sie die Kluft erst seit drei Stunden, von den Anproben abgesehen, und die Graysons hegten vielerlei merkwürdige Vorstellungen von Uniformschneiderei.
Zum einen war die Uniform blau , was jeden Berufsraumfahrer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen lassen mußte, so unnatürlich war diese Farbe für eine Navyuniform. Das kurze Jackett war in einem helleren Blau gehalten als die Hose, eine ebenfalls widernatürliche Umkehr vom gewohnten Standard. Die Goldblätter auf dem Mützenschirm gaben ihr das Gefühl, ein Militärdiktator aus der Zeit vor Anbeginn der Raumfahrt zu sein, wie sich vielleicht der Kostümbildner einer komischen Oper ihn vorstellte. Und welcher Teufel hatte die GSN bei der Entscheidung geritten, anstelle der praktischen, bequemen Stehbundkragen, wie die RMN sie verwendete, geknöpfte Kragen einzuführen? Wenn es sich wenigstens um einen einfachen druckfesten Verschluß gehandelt hätte! Aber wenn die Navy ihre Leute schon unbedingt und ausgerechnet mit Knöpfen überladen mußte, warum konnte sie ihnen dann nicht wenigstens diesen wirklich ausgesprochen verfluchenswerten ›Binder‹ ersparen? Nicht nur, daß die Krawatte absolut keinem praktischen Zweck diente – man bestand darauf, daß sie von Hand gebunden wurde, und das machte den Schlips zu einer einzigen Strafe. Warum irgend jemand sich eine Schlinge um den Hals legen wollte, nur um einer seit Jahrhunderten überkommenen Vorstellung militärischer Mode zu genügen, ging Honor über den Verstand. Nachdem sie volle zehn Minuten probiert hatte, einen korrekten Knoten zu schlingen, hatte sie aufgegeben und ihn sich von MacGuiness knüpfen lassen. Macs Gesichtsausdruck nach zu urteilen, fand er ihn ähnlich albern wie sie, aber er hatte wenigstens die Zeit erübrigen können, das Binden zu üben, und sie nicht.
Wieder schnaufte sie, fuhr sich mit dem Finger rings um den Kragen (der gar nicht so steif sein konnte, wie er sich anfühlte) und überlegte, ob in puncto graysonitischer Mode am Ende nicht doch die Frauen das bessere Los gezogen hätten. Bei ihrer Ankunft hatte sie Röcke schlichtweg für lächerlich gehalten und dem, was die männlichen Graysons tragen mußten, nur wenig Beachtung geschenkt. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, denn die Navyuniform folgte der Herrenmode, und was sie damals als kauzige Tracht hingenommen hatte, erschien ihr nun, da sie sich damit abplagen mußte, in einem ganz anderen Licht.
Über die Schulter warf sie einen Blick auf die beiden Waffenträger, die den Eingang zur Lounge bewachten, dann auf Andrew LaFollet, der an Ort und Stelle hinter ihr stand und ihr den Rücken deckte. Das graysonitische Gesetz schrieb vor, daß sie ihre Leibwache auch in den Weltraum mitnahm. Kein einziger der Waffenträger hatte ihr gegenüber auch nur ein Wort darüber verloren, was sie von ihrer neuen Verwendung hielten oder was die lange Abwesenheit für sie persönlich bedeutete. LaFollet hatte Simon Mattingly und neun der zwölf Mann voraus an Bord der Terrible gesandt, um dort alles vorbereiten zu können, während er, Jamie Candless und Eddy Howard – Honors gewohnte ›Reisebegleiter‹ – sie im Auge behielten. Jeder dieser stillen, kompetenten Männer war offenbar vollkommen damit zufrieden, dorthin zu gehen, wohin die Pflicht gegenüber seiner Gutsherrin ihn befahl.
Trotzdem verspürte Honor ein gewisses Schuldgefühl, daß sie die Leute von ihren Familien fernhielt. Im allgemeinen verließ ein graysonitischer Gutsherr niemals den Planeten, und das bedeutete, daß auch ihre Waffenträger stets auf dem Boden blieben. Honors Waffenträger hingegen mußten jedesmal die Welt verlassen, wenn sie ins All ging. Das war nicht auf ihrem Mist gewachsen, und auch wegen der Gesetze traf sie keine Schuld. Sie
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