Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
verstehen, warum die Havies so heiß darauf sind, die Kerle zu erwischen«, fügte er mit leisem Erschauern hinzu und zuckte wieder die Achseln. »Auf jeden Fall sind die Havies im Augenblick mit der Jagd befaßt, und deshalb glaube ich auch, daß sie sich an die Regeln über Zivilisten halten.«
»Vielleicht«, räumte Chris zweifelnd ein, und Sukowski drückte ihr die Hand, die er die ganze Zeit über nicht losgelassen hatte. Er konnte ihr kaum verübeln, daß sie mit dem Schlimmsten rechnete – nicht nach allem, was sie durchgemacht hatte –, aber er war fest davon überzeugt, daß sie Caslet und Jourdain unrecht tat.
»Ich glaube …« begann er, beendete den Satz jedoch niemals, denn der Gefechtsalarm, der plötzlich durch die Vaubon gellte, schnitt ihm das Wort ab.
»Sagen Sie mir was, Shannon!« drängte Caslet, während er das häßliche Bild betrachtete, das sich vor ihm auf dem Plot entwickelte. Behäbig wie ein Wal wälzte sich ein Frachter durchs All, und nicht weniger als drei Barrakudas jagten ihm hinterher. Alle Schiffe hätten sich im Erfassungsbereich von Shannons Radar befunden, wenn sie das Ortungssystem hätte einschalten können, ohne die Tarnung der Vaubon als weiteres Handelsschiff preiszugeben. So mußte Shannon sich mit den Gravitationssensoren begnügen, und auf dem Display leuchteten klar und deutlich die Impellersignaturen. Der Frachter fuhr auf einem Vektor, der mit dem der Vaubon annähernd konvergierte; die Vektoren der Verfolger ließen nur einen Schluß zu.
»Nur ei …« Foraker brach mitten im Wort ab. Der Taktische Offizier der Vaubon beugte sich zu den Anzeigen vor und strich mit den Fingern wie eine Liebende über die Regler der Konsole, dann richtete sie sich auf.
»Das sind die, die wir suchen, Skip«, meldete sie in gemessenem Ton. »Anscheinend sind zwo davon etwas kleiner als der, den wir schon erwischt haben, der dritte ist etwas größer – hat ungefähr unsere Masse. Schwer zu sagen von hier aus, vor allem ohne aktive Ortung, aber wir fangen Streustrahlung vom Frachter auf. Das Radar der Verfolger paßt goldrichtig zu unserem Muster. Ich würde darum sagen, sie sind es – nach ihren Manövern eindeutig Piraten. Das Ganze hat nur einen Haken, Sir.« Sie drehte sich mit dem Sessel zu Caslet herum und lächelte ihn herausfordernd an. »Die jagen da einen Manty.«
»Ach du Scheiße.« MacMurtrees geflüsterter Fluch erinnerte mehr an ein Gebet, aber sie hatte ihn so leise ausgestoßen, daß nur Caslet ihn hörte. Der Kommandant der Vaubon verzog das Gesicht. Ein Manticoraner. Wundervoll – einfach klasse! Die Chancen standen von Anfang an schlecht, und dann mußte das Opfer der ›Freibeuter‹ ausgerechnet ein manticoranischer Frachter sein.
Caslet drehte den Kopf und blickte Jourdain an, der sich ihm bereits näherte. Der Volkskommissar zeigte eine ähnlich unruhige Miene wie Caslet und beugte sich näher, um dem Kommandanten sehr leise ins Ohr zu sprechen. »Was nun?«
»Sir, ich weiß es nicht«, antwortete Caslet freimütig, ohne den Blick von dem zum Untergang verurteilten Manty zu nehmen, der mit höchster und dennoch völlig unzureichender Beschleunigung zu entkommen suchte. Die Piraten verfolgten ihn in einer konischen Formation achtern backbords, auf der Seite des Basisvektors, welcher der Vaubon gegenüber lag. Die Piraten schlossen beharrlich auf. Noch zwölf Minuten, dann wären sie auf Raketenreichweite, doch bereits jetzt besaß der Frachter keine Chance mehr zu fliehen.
Caslet beugte sich vor und gab eine Anfrage in seinen Computer. Als vor ihm die Ziffern erschienen und mehrere Vektoren auf dem Display aufblinkten, runzelte er nachdenklich die Stirn. Wenn alle Schiffe den gegenwärtigen Kurs beibehielten, würden die Piraten ihre Beute weniger als eine Million Kilometer vor der Vaubon einholen, was Caslet viel zu dicht war. Ihre Kurse liefen zudem zusammen, und die Piraten würden selbstverständlich abbremsen müssen, um den Frachter zu entern; beim Abfangmanöver wären sie daher nur wenige hundert Kps schneller als die Vaubon , was die Gefechtsdauer ausdehnte und die Situation noch riskanter machte.
»Werden wir vom Radar erfaßt?« fragte er.
»Negativ, Skipper. Anscheinend konzentrieren sie sich voll und ganz auf den Manty.« Foraker schnaubte – beredte Verachtung für die Schlamperei der Freibeuter. »Mit den Gravitationssensoren müssen sie uns erfaßt haben, aber vermutlich sehen sie keinen Grund, uns näher unter die Lupe zu
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