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Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden

Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden

Titel: Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Augen zu den Sternen und empfand die vertraute Ehrfurcht. Anders als viele Menschen genoß Ginger jede EVA. Die Weite des Weltalls beunruhigte sie nicht, sie empfand sie vielmehr als reinigend und seltsam wohltuend – ein Gefühl der Abgeschiedenheit, in das sich die verwunderte Freude darüber mischte, daß Gott ihr gestattete, von seinem eigenen Aussichtspunkt aus einen Blick auf die Großartigkeit seiner Schöpfung zu erhaschen.
    Doch schließlich war sie nicht hier, um die Aussicht zu bewundern. Ginger richtete das Fadenkreuz auf die Bake, die nachträglich an Gondel Vierundzwanzig angebracht worden war, und übertrug den Vektor in das automatische Leitsystem des übergroßen Sustained-Use-Thruster-Tornisters, den sie über dem Raumanzug trug. Die SUT-Tornister waren für ausgedehnte EVAs gedacht und erheblich leistungs- und schubstärker als die normalen Düsenpakete der Raumanzüge. Ginger genoß jede der seltenen Gelegenheiten, sie zu benutzen. Sie überprüfte den Vektor zum zweitenmal, verzog erwartungsvoll das Gesicht und drückte auf den Startknopf.
    Und in diesem Augenblick geschah es.
    Kaum aktivierte sie die Düsen, begann das gesamte System verrücktzuspielen. Statt mit dem sanften Schub, auf den sie sich eingestellt hatte, feuerten die Düsen mit voller Kraft. Mit einer Beschleunigung, die nur für Notfälle gedacht war, wurde Ginger von der Wayfarer fortgerissen. Sie grunzte qualvoll; unter dem furchtbaren Andruck vermochte sie nicht einmal zu schreien. Panisch tastete sie mit dem Daumen nach der Handsteuerung und fand mit der blinden, automatischen Schnelligkeit, die man durch unablässige Übung erwirbt, den Knopf und drückte fest darauf – aber nichts, überhaupt nichts geschah.
    Und das war nicht einmal das Schlimmste. Die Lagedüsen verfielen ebenfalls in Raserei, und Ginger überschlug sich wild wie ein sausendes Windrädchen. Schon nach den ersten beiden Sekunden hatte sie jeden räumlichen Bezugspunkt verloren, und ihr Gleichgewichtssinn geriet vollkommen durcheinander. Allein Gottes Gnade war es zu verdanken, daß sie vom Schiff davon -schoß; das Steuerversagen des SUT hätte sie genauso gegen den Rumpf prallen lassen können, und das hätte ihren sofortigen Tod bedeutet.
    Trotzdem waren die Folgen, die sie erdulden mußte, schlimm genug. Zum erstenmal in ihrem ganzen Leben ereilte sie die Raumkrankheit, die stets ihr amüsiertes Beileid geweckt hatte, wenn sie sie bei anderen sah. Hilflos erbrach sie sich in den Helm, würgte und hustete alles heraus, denn instinktiv tat sie, was die Ausbilder ihr eingehämmert hatten: Atemwege freihalten. Ginger hätte nie damit gerechnet, diese Unterweisung einmal zu brauchen – schließlich war sie nicht von der Sorte, die rückwärts frühstückte, nur weil sie ein bißchen in der Schwerelosigkeit arbeiten mußte! Nur das Erbe ihrer gnadenlosen Ausbilder hielt sie lange genug am Leben, daß sie den Kinnschalter drücken konnte, der von ihrem Erbrochenen schleimig war und der ihren Helmcom auf die Notfrequenz der Flugleitung schaltete.
    »Mayday! Mayday! Anzugversagen!« keuchte sie, während ihre Schubdüsen sie wie verrücktgewordene Tiere weiter davontrugen. »Hier …« Sie würgte erneut und hustete, als ihr Magen nichts mehr hergab und sie sich in Krämpfen wand. »Hier ist Blau Sechzehn. Ich bin … Mein Gott, ich weiß nicht, wo ich bin!« Sie merkte ihrer eigenen Stimme die Panik an, aber sie konnte nichts sehen. Ihr Mageninhalt bedeckte die Innenseite ihres Helms, verschleierte die Sterne und machte Gingers Desorientierung komplett. Noch immer donnerten unablässig die Schubdüsen! »Mayday!« schrie Ginger ins Com.
    Und niemand antwortete.
     
    »Was zum …?« Scotty Tremaine war gerade zur Ablösung von Lieutenant Justice, dem Operationsoffizier von LAC-Flottille Zwo, in die Flugleitung gekommen und hatte auf seinem Sessel Platz genommen, als er das Radarecho bemerkte, das auf einem unmöglich anmutenden Kurs von der Wayfarer ins Nichts davonschoß.
    Eilig gab er eine Anfrage in den Computer, der jedoch ebenfalls nicht wußte, worum es sich handelte. Scotty runzelte die Stirn. Alles still auf der Notfrequenz, also konnte eigentlich niemand in Schwierigkeiten stecken, doch ihm fiel keine andere Erklärung für das Echo ein als ein Wayfarer in Raumnot. Er markierte das Echo und übertrug es an den Hauptplot der Operationszentrale, dann drückte er den mit »AN ALLE« beschrifteten Sendeknopf.
    »Flugleitung«, sprach er rasch ins

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