Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
vom Bordgericht verdonnert werden konnte, waren fünfundvierzig Tage Arrest pro Vergehen und eine Degradierung um maximal drei Rangstufen. Dabei zählte sein Dienstgrad als diensttuender Petty Officer allerdings nicht, den konnte ihm die Kommandantin jederzeit nehmen, wenn es ihr in den Sinn kam, und die Degradierung bei seinem permanenten Rang beginnen.
Kann sein, daß sie’s tut , dachte Aubrey. Körperliche Auseinandersetzung an Bord eines Schiffes war ein ernstes Vergehen, aber eins von der Sorte, die die Navy schon vor langer Zeit intern zu regeln gelernt hatte. Dazu mußten keine schweren Geschütze herangekarrt werden. Aber einen Crewkameraden zu verkrüppeln war von einem ganz anderen Kaliber, und Randy Steilmans Knie bedurfte chirurgischen Wiederaufbaus. Deshalb hätte Aubrey genausogut einem Kriegsgericht gegenüberstehen können, das nach einem Schuldspruch eine schwere Strafe im Militärgefängnis oder sogar unehrenhafte Entlassung aus der Navy verhängt haben würde.
Meinen P.O.-Winkel bin ich jedenfalls los , dachte er niedergeschlagen. Mindestens den … aber das ist es mir wert. Nun, da die aufgeladenen Emotionen des Kampfes verebbt waren, verursachte die Erinnerung an das Krachen, mit dem Steilmans Kniescheibe zerborsten war, Aubrey mehr als nur einen Anflug von Übelkeit. Er war geradezu schockiert deswegen. Trotz der Unterweisungen durch Senior Chief Harkness und Gunny Hallowell hatte er sich noch nicht bewußt gemacht, daß er wirklich zu dergleichen imstande war. Doch weder Schock noch Übelkeit vermochte die kalte Befriedigung zu dämpfen, die er außerdem empfand. Er war Steilman eine Abreibung schuldig gewesen, nicht nur für das, was der tyrannische Energietechniker ihm persönlich angetan hatte.
Trotzdem blickte er dem Treffen mit der Kommandantin mit nur wenig Vorfreude entgegen.
Honor Harrington saß breit und aufgerichtet hinter ihrem Schreibtisch, als Randy Steilman vom Profos vor sie geführt wurde. Der Energietechniker trug nicht den normalen Arbeitsanzug, sondern Dienstuniform, und er sah schrecklich aus. Sein bewegungsunfähiges Bein steckte in einem Traktorverband, der es fester umhüllte als jeder Gips, aber bei jedem unbeholfenen Schritt schwang es weit an der Hüfte aus. Steilmans Augen spähten durch schmale, purpurne Schlitze zu beiden Seiten des Balls aus geschwollenem, rohem Fleisch, der einmal seine Nase gewesen war. Abgebrochene Zähne zeigten sich durch die ebenfalls geschwollenen Lippen, und die rechte Gesichtshälfte war eine Masse aus blaugeränderten, regenbogenfarbenen Flecken. Mehr als einmal hatte Honor die Ergebnisse körperlicher Auseinandersetzungen zu Gesicht bekommen, aber sie konnte sich kaum erinnern, jemals jemanden gesehen zu haben, der so brutal verprügelt worden war wie dieser Mann, und sie bemühte sich, ihre Befriedigung nicht in ihren steinharten Augen sehen zu lassen.
»Hut ab!« brüllte Thomas. Steilman hob die Hand, zog das Barett von Kopf und nahm eine Haltung an, die man vielleicht als Habt-acht-Stellung bezeichnen konnte. Obwohl er sich um eine trotzige Miene bemühte, sah Honor deutlich die Furcht auf seinem Gesicht, und sie bemerkte seine herabhängenden Schultern. Randy Steilman ist in mehr als einer Hinsicht geschlagen , dachte sie und richtete den Blick auf Sally MacBride.
»Anklagepunkte?« fragte sie, und MacBride konsultierte demonstrativ ihr Memopad.
»Dem Gefangenen wird die Verletzung von Artikel vierunddreißig zur Last gelegt«, antwortete sie knapp; »Beleidigung und Bedrohung eines anderen Crewangehörigen; Artikel fünfunddreißig, tätlicher Angriff auf einen anderen Crewangehörigen; Artikel neunzehn«, und ihre Stimme wurde kälter, »Verabredung zur Desertion in Kriegszeiten; und Artikel neunzig, Verabredung zu Mord.«
Steilmans Augen flackerten bei der dritten Anklage auf und wurden bei der vierten sehr düster. Honor blickte Rafe Cardones an.
»Haben Sie bezüglich dieser Punkte ermittelt, Commander Cardones?«
»Das habe ich, Captain« antwortete der Erste Offizier förmlich. »Ich habe jeden Zeugen des Zwischenfalls in der Mannschaftsmesse befragt, und jede Aussage stützt die ersten beiden Anklagepunkte. Aufgrund der Aussagen von Elektroniktechnikerin Showforth und Umwelttechniker Stennis sowie offiziell erlangter Beweisstücke im Quartier des Beschuldigten und in Rettungskapsel Eins-Acht-Vier halte ich die letzten beiden Punkte für ebenfalls hinreichend begründet.«
»Ihre
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