Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
die Antriebe aktiviert haben, steigt die Gefahr, daß ein anderer Havie vorbeikommt und uns ortet.«
»Das weiß ich alles, aber wir können sie doch nicht einfach zurücklassen!«
»Sir, wir haben keine andere Wahl!« rief Fuchien rauh. Ihre Augen blitzten vor Ärger – Ärger, der sich wider alle Vernunft gegen Hauptmann richtete, weil der Magnat sie zwang, die schreckliche Wahrheit auszusprechen. »Sie sind zwar der Eigner dieses Schiffes, aber der Kapitän bin immer noch ich!«
»Ich bitte Sie, Captain.« Mehr als ein Augenpaar blickte Hauptmann erstaunt an, so ungewohnt war der bittende Tonfall seiner Stimme. »Es muß doch etwas geben, das wir tun können!«
Fuchien setzte zu einer brüsken Entgegnung an, dann schloß sie den Mund und begnügte sich mit einem grimmigen Kopfschütteln. Hauptmann ließ die Schultern sinken, und der niedergeschmetterte Ausdruck seiner Augen traf Harold Sukowski wie ein Schlag mit einem Hammer. Er kann nicht anders, er muß etwas unternehmen , dachte Sukowski. Er ist hart und arrogant – ein mit Kupferplatten beschlagener Hundesohn, aber er weiß, was Verantwortung bedeutet, und Lady Harrington hat ihn mit der Nase darauf stoßen müssen. Und dann – Sukowski warf einen Blick auf Stacey Hauptmann – hat er sich auch noch vor seiner Tochter zum Narren gemacht. Aber Maggie hat recht. Wir können das Schiff einfach nicht in Gefahr bringen, ganz gleich, wie sehr wir uns auch wünschen …
Seine Gedanken brachen ab, und er runzelte nachdenklich die Stirn. Er hörte, wie Fuchien und Hauptmann weiter diskutierten, aber sie klangen, als kämen sie aus weiter Ferne zu ihm, während sein Hirn fieberhaft überlegte.
»Es tut mir leid, Sir«, sagte Fuchien schließlich mit weit sanfterer Stimme als zuvor. »Wirklich. Aber wir können nichts unternehmen.«
»Vielleicht doch«, brummte Sukowski, und auf der Brücke richteten sich aller Augen auf ihn. »Die Artemis können wir nicht auf SAR schicken, das geht nicht«, sagte er, »aber vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit.«
»Wir haben ein Bild vom Havie, Skipper«, sagte Scotty Tremaine.
Zusammen mit Harkness hatte er eine Pinasse bestiegen, um den Rumpf von außen zu inspizieren. Bereits ein einziger Blick hatte ihm genügt. Es bestand keine Hoffnung mehr. Die Wayfarer war zerfetzt und aufgerissen, die Impellerringe zerborsten. Niemand an Bord würde überleben, und so hatte Honor Tremaine und Harkness auf die Suche nach dem havenitischen Schlachtkreuzer geschickt. Vielleicht war sie weniger stark beschädigt als die Wayfarer . Falls ja, dann konnten sie, wenn die Überlebenden beider Crews zusammenarbeiteten, wenigstens dieses Wrack in einen Hafen bringen – und im Augenblick erschien selbst ein havenitisches Kriegsgefangenenlager wie das Paradies.
Nun hörte sich Honor über ihr Helmcom Scottys Schilderung der Schäden an der Achmed an, und ihr sank das Herz. Sie befand sich in einer Mannschaftsmesse, die aus irgendeinem Grund noch unter Druck war, und hatte den Helm abgesetzt. Abgesehen von einigen kleinen Trupps, die unter Sally MacBrides Leitung Teile des Wracks untersuchten, in denen vielleicht noch jemand festsitzen konnte, befanden sich alle Überlebenden der Besatzung entweder in dieser druckfesten Abteilung, im Lazarett, im Technischen Leitstand oder unten in Fusionsraum Zwo. So wenige, daß man sich im Messesaal nicht beengt fühlt, dachte sie grimmig und wartete auf das Ende von Scottys Bericht.
»Nun gut«, sagte sie. »Mit diesem Bugschaden fährt sie nirgendwo mehr hin, und wir treiben auseinander. Versuchen Sie, mit jemandem an Bord in Kontakt zu kommen. Es klingt fast, als wären sie in einer schlimmeren Lage als wir. Wenn es so ist, bieten Sie ihnen an, sie aufzunehmen und zur Wayfarer zu bringen. Sagen Sie ihnen …« – sie lächelte matt –, »die Diskussion darüber, wer wessen Gefangener ist, heben wir uns für später auf.«
»Aye, Ma’am«, antwortete Tremaine und begann, die Pinasse näher an die Achmed heranzumanövrieren.
»Ist das klug, Skipper?« fragte Cardones so leise, daß niemand außer Honor es hören konnte. »Wir beziehen unsere Lebenserhaltung aus der Konserve, und die Umweltsysteme kommen wahrscheinlich nicht mehr richtig in Gang.«
»Viele können nicht mehr übrig sein, Rafe«, entgegnete sie ebenso leise, »und nach allem, was wir wissen, besitzen die Havies gar keine Lebenserhaltung mehr. Andererseits könnten wir unsere Systeme wenigstens zum Teil
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