Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
Version, die in der RMN üblich war. Honor blieb in Grußstellung stehen, bis sie verstummten.
»Bitte um Erlaubnis, an Bord zu kommen, Sir.«
»Erlaubnis erteilt, Mylady«, antwortete der Korvettenkapitän und nahm zackig die Hand von der Krempe seiner hohen Schirmmütze. Seine Uniform mit diesem hohen Kragen muß einfach unbequem sein , dachte Honor, und dieses tadellose Weiß fleckenfrei zu halten, kann gar nicht einfach sein. Aber es sieht schon beeindruckend aus …
Ebenso die Raumsoldaten der Ehrenwache. Im Gegensatz zu den manticoranischen Gepflogenheiten taten in der Kaiserlich-andermanischen Flotte Heereseinheiten Dienst als Raumsoldaten. Bei den Graysons war dies ebenso. Die andermanischen Schiffe hatten auch weniger dieser Einheiten an Bord, weil sie allein als Boden- und Entertruppen dienten, aber ihr Drill war genauso zackig wie der von Honors Marines. Sogar in der Galauniform wirkten sie gefährlich und überaus fähig. Die Brust einer jeden schwarzen Uniform war üppig posamentiert, was Honor entschieden seltsam vorkam, und der Offizier an ihrer Spitze trug tatsächlich einen langen, pelzbesetzten Mantel über der Schulter und auf dem Kopf eine hohe, ebenfalls pelzbesetzte Mütze mit einem silbernen Totenschädel an der Vorderseite.
Honor hob die Augenbrauen, denn dieser Schädel bedeutete, daß die Raumsoldaten der Derfflinger zu den Totenkopf-Husaren gehörten, dem Äquivalent des Garderegiments der Royal Manticoran Army. Gustav Anderman hatte die Uniform der ›Totenköpfe‹ unter Bezug auf ein altes preußisches Elitehusarenregiment selbst entworfen, um sein ›preußisches Erbe‹ herauszustellen. Dabei hatte er allerdings geflissentlich übersehen, daß die Kombination von silbernem Totenkopf und schwarzer Uniform auch in einem späteren, dunkleren Kapitel der Menschheit eine Rolle spielte. Honor fragte sich, ob die Uniform wirklich so unbequem sein könnte wie sie aussah. Andererseits hatten die Totenkopf-Husaren genau wie der Mann, der ihre Uniform entworfen hatte, einen so gefährlichen Ruf, daß sich nur selten jemand bemüßigt fühlte, sie auszulachen. In Friedenszeiten sah man sie nur selten außerhalb des Planeten Potsdam, und ihre Gegenwart an Bord SMS Derfflinger war ein deutliches Zeichen dafür, daß von Ravenheim hoch in der Gunst seines Kaisers stand.
Der Offizier hob salutierend den Säbel, und die Soldaten nahmen Habtachtstellung ein. Honor erwiderte die Ehrenbezeugung, dann folgte sie Schoeninger in den Lift. Der weibliche Fregattenkapitän gab einen Bestimmungsort ein und bedachte Honor mit einem schuldbewußten Lächeln, als der Lift sich in Bewegung setzte.
»Unsere Uniformen müssen Ihnen sehr farbig vorkommen«, murmelte sie.
»Ja. Jawohl, das sind sie«, antwortete Honor neutral und war sich nicht sicher, worauf Schoeninger hinauswollte. Die jedoch schüttelte nur den Kopf.
»Ich versichere Ihnen, daß unsere Dienstumformen erheblich praktischer sind, Mylady. Manchmal wünsche ich mir im Zuschnitt unserer Gala- und Paradeuniformen etwas weniger absichtlichen Anachronismus, aber ich nehme an, wir wären nicht mehr wir, wenn wir das aufgäben.«
Ihr Ton war so ironisch, daß Honor schmunzeln mußte, aber immerhin fand sie einen Anknüpfungspunkt.
»Das waren Totenkopf-Husaren, oder?« fragte sie.
»Ja, das stimmt.« Schoeninger schien es zu erstaunen, daß Honor sie erkannt hatte, obwohl in Schoeningers Gefühlen, die Honor durch Nimitz wahrnahm, keinerlei Überraschung zu bemerken war.
»Ich glaubte, die Totenkopf-Husaren würden Potsdam nur im Kriegsfall verlassen?« Honor betonte diese Feststellung als Frage, und Schoeninger nickte.
»Das ist normalerweise richtig, Mylady. Der Herzog von Ravenheim ist jedoch des Kaisers Cousin ersten Grades. Gemeinsam waren sie auf der Kadettenanstalt und haben sich immer sehr nahe gestanden. Die Totenköpfe befinden sich auf persönliche Anordnung Seiner Majestät an Bord des Flaggschiffs.«
»Ich verstehe.« Honor nickte langsam, und der Fregattenkapitän lächelte wieder, ein sehr schwaches Lächeln, aber Honor spürte Schoeningers Zufriedenheit und begriff, daß sie das Gespräch absichtlich so gelenkt hatte, um die letzte Bemerkung anbringen zu können. Honor fragte sich, ob es ihr nur darum gegangen war, die Bedeutung ihres Vorgesetzten aus sozialen Gründen herauszustellen. Nach dem Wenigen, was sie bisher von Fregattenkapitän Schoeninger gesehen hatte, erschien ihr das jedoch sehr unwahrscheinlich. Eher wollte
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