Honor Harrington 7. In Feindes Hand
schüttelte leicht den Kopf. Miranda wirkte ein wenig nervös, und Allison lächelte sie an.
»Oh, es gefällt mir sogar sehr gut!« versicherte sie ihrer Führerin. »Honor hat versprochen, daß es mir gefallen würde, und sie ist schon immer ein wahrheitsliebendes Mädel gewesen.« Sie verdrehte spielerisch die Augen über die Grimasse, die Miranda zog, als sie hörte, wie ihre Gutsherrin als ›Mädel‹ bezeichnet wurde. Na, den Leuten hier kann’s nicht schaden, wenn jemand ein bißchen an Honors Heiligenschein kratzt , sagte sie sich fröhlich. Allison kannte ihre Tochter gut genug und wußte, daß Honor sich durch allzuviel Unterwürfigkeit eingeengt fühlte.
Außerdem nimmt die Kleine das Leben sowieso viel zu ernst , sagte sie sich fröhlich. Wenn sie wiederkommt und feststellt, wie oft ich unangenehm aufgefallen bin, kann ihr das nur gut tun!
Sie mußte ein Kichern unterdrücken. Wie Honor haßte sie den Klang ihres Kicherns. Beide waren sie fest davon überzeugt, sich wie kleine Schulmädchen anzuhören, wenn sie kicherten, und Allisons Zierlichkeit verstärkte diesen Eindruck noch. Allerdings würde niemand, dem je einen näherer Blick auf sie vergönnt gewesen war, sie mit einem Kind verwechseln, da bestand kein Zweifel. Der Kicherdrang meldete sich erneut und stärker; Allison unterdrückte ihn beharrlich und winkte ab, um Miranda zu beruhigen, denn die Grayson beäugte sie mit wachsender Unruhe.
Das arme Kind glaubt wahrscheinlich, ich hätte eine Art Anfall. Was sie wohl von mir denken würde, wenn sie wüßte, daß ich geplant hatte, einen Anfall zu erleiden ?
Allison nahm sich mehrere Minuten, um das Büro genau zu inspizieren. Ihre Aufmerksamkeit indessen galt nur zum Teil den Schreibtischen, Couchtischen und Aktenschränken. Vielmehr sann sie dabei über die sechzig Jahre nach, die sie im Sternenkönigreich verlebt hatte, und rieb sich innerlich die Hände, denn nun boten sich ihr im wahrsten Sinne des Wortes noch mehr Welten, die sie erobern konnte.
Allison Harrington wußte sehr gut, was der Rest der Galaxis über die Wüstlinge von Beowulf dachte. Manchmal verwunderte es sie, daß ausgerechnet ihre Heimatwelt den unangefochtenen Titel des Dekadentesten Planeten der Ganzen Galaxis hielt, obwohl doch Alterde in jeder Hinsicht ebenso kultiviert und ›libertinistisch‹ war wie Beowulf. Die Wege des Universums waren wohl unergründlich. Möglich, daß sich der Ruf des Sigma-Draconis-Systems auf seine gleichwohl unangefochtene Führungsposition in allen Lebenswissenschaften zurückführen ließ. Auf Beowulf war das lebensverlängernde Prolong-Verfahren erfunden worden, das jedoch nur den augenfälligsten Beitrag zur Gesundheit und Langlebigkeit der Menschheit darstellte. Dennoch – durch das Prolong übte Beowulf direkte Wirkung auf das Schicksal jedes einzelnen Menschen aus, ganz gleich, wo er lebte; in dieser Hinsicht überragte allenfalls noch Alterde Beowulf, denn Alterde war der Stammplanet der Menschheit. Vielleicht mußten die Bewohner eines solchen Himmelskörpers wie Beowulf in den Augen von Außerweltlern zwangsläufig überlebensgroßes Format annehmen. Allerdings erklärte auch diese Theorie noch längst nicht zufriedenstellend, weshalb jedermann die sexuellen Gebräuche dieses Planeten ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte, und nicht zum Beispiel die im gesamten Sigma-Draconis-System verbreitete Vorliebe für Polo auf Gravo-Skis!
Was auch immer die Gründe waren, Allison hatte gewußt, worauf sie sich mit ihrer Heirat einließ – daß sie sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne auf eine neue Welt gelangen würde, als sie sich auf der Semmelweiß-Universität in einen Stipendiaten namens Alfred Harrington verliebte. Alfred war selbstverständlich alles andere als ein gaffender, ungebildeter Bauerntölpel gewesen. Das Sternenkönigreich gehörte seit Jahrhunderten zu den reichsten und technisch fortgeschrittensten interstellaren Mächten außerhalb der Solaren Liga, und sein Hauptplanet besaß eine mindestens ebenso hochstehende Kultur wie Beowulf. Dummerweise kam Alfred nicht vom Planeten Manticore, sondern von Sphinx – und unter den drei bewohnbaren Planeten des manticoranischen Doppelsternsystems war Sphinx zweifellos der puritanischste. Als Alfred ihr diesen Sachverhalt erklärte, war er sehr ernst gewesen – nicht, weil er etwa von ihr verlangt hätte, daß sie sich änderte, um den manchmal rückständigen Maßstäben seiner Welt zu genügen, sondern
Weitere Kostenlose Bücher