Honor Harrington 7. In Feindes Hand
machen zu können, wenn sie ihren Sturmangriff auf den übrigen Planeten begann.
Und wieviel Zeit ich dazu habe , dachte sie, jetzt, wo Honor bis auf weiteres im Weltraum ist.
Das rief ihr einen anderen Aspekt in Erinnerung. Sie setzte sich auf den bequemen Sessel hinter dem Schreibtisch und bedeutete Miranda, auf einem der Stühle davor Platz zu nehmen. Kaum saß Miranda, glitt Farragut auf ihren Schoß, und Allison lächelte schief.
»Ich weiß noch, wie Honor das erstemal mit Nimitz nach Hause gekommen ist«, sagte sie. »Wenn man sie heute sieht, will man es kaum glauben, aber sie bekam ihren Wachstumsschub ziemlich spät, und die Prolong-Behandlung der dritten Generation zögert alles noch länger hinaus. Sie war … sechzehn, als sie endlich zu wachsen begann; als Nimitz sie adoptierte, war er fast so lang wie sie groß. Trotzdem ließ sie sich nicht abhalten, ihn überallhin zu tragen . Eine Weile habe ich gedacht, seine Beine müßten verkümmern und absterben!«
»Farragut ist nicht ganz so schlimm, Mylady«, entgegnete Miranda lächelnd und streichelte ihm die Ohren, was dem Baumkater ein lautes Schnurren entlockte.
»Nein, das ist er wohl nicht«, stimmte Allison zu. »Oder wenigstens noch nicht. Baumkatzen sind ein schamlos hedonistischer Haufen, also nehmen Sie sich bloß in acht.«
»Das werde ich, Mylady«, versprach Miranda.
Allison schaukelte mit dem Sessel nach hinten. »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Miranda«, sagte sie; »genauer gesagt, sogar um zwei.«
»Selbstverständlich, Mylady. Was wünschen Sie?«
»Zum einen, daß Sie mit den ›Myladys‹ ein wenig sparsamer umgehen«, sagte Allison und grinste schelmisch, als sie Mirandas Gesicht sah. »Oh, ich fühle mich nicht angegriffen oder so etwas. Aber ich habe mein ganzes Leben als Bürgerliche verbracht. Mir ist zwar klar, daß Honor hingegangen ist und dieser Sache ein Ende gemacht hat – zumindest, soweit es die Bewohner dieses Planeten betrifft, aber ich ertappe mich andauernd dabei, daß ich mich frage, mit wem Sie da eigentlich sprechen!«
Miranda blickte sie einen Moment lang an, lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und drückte sich Farragut an die Brust.
»Das ist vielleicht schwieriger als Sie glauben, M … – Doctor«, sagte sie schließlich. »Ihre Tochter ist eine Gutsherrin – die allererste Frau mit diesem Titel –, und die Anredeformen für Gutsherren und ihre Familienangehörigen bilden einen wichtigen Teil der graysonitischen Etikette. Natürlich mußten wir einige Anpassungen vornehmen. Vor Lady Harrington gab es nur eine korrekte Anrede für einen Gutsherrn: My lord; das durften wir natürlich nicht beibehalten, aber bis man die Leute so weit hat, daß auch der Rest sich ändert …« Sie schüttelte den Kopf. »Sagen wir einfach, wir Graysons können ein wenig halsstarrig sein, Doctor.«
»Wenn Sie sich dabei nicht die Zunge verstauchen, können Sie es mit Allison versuchen oder sogar mit ›Alley‹ – wenigstens, wenn wir allein und außer Dienst sind.« Sie sprach in solch ironischem Ton, daß Miranda errötete, dann aber lächelte sie Allison an, und Allison erwiderte das Lächeln. »Ich glaube mich zu erinnern, daß Honor die graysonitische Halsstarrigkeit beiläufig erwähnt hat. Und da fällt mir ein«, fügte sie streng hinzu, »daß man als Bewohnerin eines Glashauses wirklich die allerletzte sein sollte, die mit Steinen zu werfen beginnt! Aber ich nehme an, daß Ihr Volk nicht halsstarriger ist als Honor, und wenn wir langsam anfangen und beharrlich fortfahren, dann sollten wir sogar die Graysons vernünftig umprogrammieren können – binnen eines Jahrhunderts oder so.«
Miranda war überrascht, daß sie über diese Prognose lachen konnte, und Allison grinste sie an. Dann wurde Honors Mutter wieder ernst, klappte den Sessel aufrecht, lehnte sich mit den Ellbogen auf ihren neuen Schreibtisch und begann, Miranda eingehend zu mustern.
»Nun zum zweiten Gefallen«, sagte sie nüchtern. »Ich habe mich gefragt, ob Sie mir wohl sagen können, weshalb Honor soviel früher als geplant in den Weltraum gegangen ist.«
»Ich bitte um Verzeihung, M … – Allison?«
»Das haben Sie gut gemacht«, beglückwünschte Allison sie.
»Wie bitte?«
»Von meiner Frage völlig überrascht zu klingen«, erklärte Allison, und diesmal errötete Miranda sehr intensiv. »Aha! Es ist also tatsächlich etwas geschehen?«
»Eigentlich nicht«, antwortete Miranda. »Zumindest nichts, was
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