Honor Harrington 7. In Feindes Hand
den Laden auch ohne Ihre Hilfe schmeißen, Mylady.«
»Der Meinung bin ich auch«, grinste Honor. »Und das, obwohl ich Ihnen den Eins-O stehle.«
»Das ist ein Handicap«, entgegnete Greentree trocken, »aber ich glaube, ich werde es überleben.«
Commander Marchant lächelte. Im Laufe der letzten fünf T-Wochen hatte er einiges von der Befangenheit verloren, die er anfangs in Honors Gegenwart zeigte, denn wie Greentree mußte er eng mit ihr und ihrem Stab zusammenarbeiten. Weil Greentree als Honors taktischer Stellvertreter fungierte, trug Marchant einen größeren Anteil an der Verantwortung für das Schiff als andere Erste Offiziere. Der Flaggkommandant hatte den I.O. außerdem an so vielen Besprechungen des Geschwaderstabes teilnehmen lassen wie möglich, was Honor nur begrüßen konnte. Sollte Greentree etwas zustoßen,, gingen zusammen mit dem Kommando über das Geschwaderflaggschiff auch die Pflichten des Flaggkommandanten auf Marchant über, und in diesem Fall wäre es eher unwahrscheinlich, daß Honor genügend Zeit zur Verfügung stände, um dem neuen Flaggkommandanten ihr operatives Vorgehen und ihre Verhaltensmaßregeln lang und breit zu erläutern. Greentrees Vorsatz, Marchant immer informiert zu halten, um ein mögliches Durcheinander im Falle einer solchen Katastrophe zu verhindern, erfüllte sie mit großer Zufriedenheit. Marchants erzwungene Zusammenarbeit hatte ihr außerdem die Gelegenheit verschafft, sich ein Urteil über die Fähigkeiten des I.O. zu bilden. Sie war sehr zufrieden mit ihm. Außerdem hatten sich Möglichkeiten geboten, um Marchant deutlich zu machen, daß sie ihm keinesfalls die Verschwörung seines entfernten Cousins vorwarf. Aufgrund all dessen hatte Marchant nicht nur solide Kenntnis der Operationsmuster des Geschwaders erhalten, sondern außerdem ein starkes Gefühl der Loyalität ihr gegenüber entwickelt.
»Ich versuche, ihn nach Hause zu bringen, bevor er sich in einen Kürbis verwandelt«, versprach sie Greentree und ließ seine Hand los. Dann drehte sie sich der Personenröhre zu und umfaßte die Haltestange. LaFollet und die beiden anderen Waffenträger folgten ihr unmittelbar, dann schlossen sich Andreas Venizelos und die übrigen Angehörigen der Gruppe in der Reihenfolge absteigender Seniorität an.
Honor durchschwamm die Röhre, schwang sich unter der internen Schwerkraft der Pinasse graziös herum und nickte dem stämmigen, irgendwie ramponiert aussehenden Bordmechaniker zu.
»Guten Morgen, Senior Chief«, begrüßte sie ihn.
»Morgen, Ma’am«, knurrte Senior Chief Gunner’s Mate Harkness zur Antwort. »Willkommen an Bord.«
»Danke«, sagte sie und zog sich die Uniformjacke am Saum gerade, während sie zu ihrem Sitz ging. Eigentlich besaß Harkness für seine gegenwärtige Aufgabe einen zu hohen Rang, aber Honor hatte niemand anderen erwartet als ihn. Schließlich wußte sie, wer die Pinasse steuerte.
Sie setzte Nimitz auf den Nebensitz und schnallte sich an, dann blickte sie über die Schulter zurück und beobachtete, wie ihre Begleitung in den Passagierraum kam. Es waren nur wenige Personen, und Honor gestattete sich ein träges Lächeln, das Nimitz alle Ehre gemacht hätte und das man bei ihr nur sehr selten sah. Armer Alistair , dachte sie mit diebischer Freude. Wenn es nur halb so gut geklappt hat wie ich glaube, dann hat er nicht die leiseste Ahnung, was ihm da blüht! Dann wurde ihr Gesicht etwas ernster. Das Ganze hatte auch seine Schattenseite; die Neuigkeit, die sie für McKeon hatte, bedeutete letztendlich, daß sie es in Zukunft schwerer haben würde. Trotz dieser Unannehmlichkeit freute sie sich schon sehr darauf, sein verblüfftes Gesicht zu sehen. Außerdem wird es allmählich auch Zeit.
Der Gedanke erheiterte sie, und sie sah zu, wie die anderen sich in der gestutzten Passagierkabine auf ihre Plätze begaben. Wie Honor schon gegenüber MacGuiness bemerkt hatte, gab es nur eine begrenzte Anzahl von Sitzplätzen, denn die Pinasse trug eine schwere, voluminöse Fracht, die für den Leitenden Ingenieur der Adrian bestimmt war. Einer der Luftwäscher des Kreuzers war ausgefallen, was die Lebenserhaltungskapazität der Prince Adrian um zehn Prozent verringerte. Zwar hatte McKeons Schiff alle Ersatzteile an Bord, die erforderlich waren, um den Wäscher notfalls von Grund auf neu zu bauen, doch ohne die Hilfe einer Werft dauerte das mindestens eine Woche und bedeutete körperliche Schwerstarbeit; angesichts der verlorenen
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