Honor Harrington 7. In Feindes Hand
ordnungsgemäßen Umgang mit militärischen Kriegsgefangenen zu sorgen hat. Die Aufsicht, daß auf beiden Seiten die Bestimmungen eingehalten werden, hat in diesem Krieg die Solare Liga übernommen. Der SyS ist es bislang zwar gelungen, die Inspektoren abzuwimmeln, aber wenn ich Honeker gegenüber nun betone, daß Harrington eine Gefangene sein wird, die ganz besonders im Rampenlicht steht? Wenn sie verschwindet, werden die Manties sich nicht mit der Entschuldigung zufriedengeben, daß es einen Fehler in den Dossiers gegeben hätte, oder ähnlichem Scheiß. Außerdem ist sie eine Gutsherrin. Wenn wir ein Staatsoberhaupt ›verlegen‹, dann werden sich sogar die Idioten, die uns von der Liga geschickt worden sind, von ihren dicken Ärschen erheben und die Lage genau unter die Lupe nehmen müssen! Außerdem könnte ich anführen, daß unsere Kampfmoral darunter leiden würde, wenn unsere Leute erwarten müßten, daß die andere Seite die Übereinkunft aus Vergeltung verletzt, und daß eine Mißhandlung … Nein, nicht das Wort ›Mißhandlung‹ verwenden. Honeker geht sofort in die Defensive, wenn ich andeute, daß die SyS Gefangene mißhandeln könnte – obwohl wir beide genau wissen, daß dergleichen geschieht. Das kann er einfach nicht zugeben. Sagen wir lieber: Wenn unsere Behandlung Harringtons auch nur gegen ein Wort der Deneber Übereinkunft verstößt, muß bei einem reaktionären Regime wie dem Sternenkönigreich davon ausgegangen werden, daß es Vergeltungsmaßnahmen einleitet, und unsere Leute wissen das.
Noch immer betrachtete er stirnrunzelnd seine Zigarre und ging mehrere mögliche Formulierungen seines Argumentes durch. Ein wenig Politur konnte es noch gebrauchen … die richtigen Wörter an den richtigen Stellen … und dann mußte er Honeker irgendwo erwischen, wo die Wanzen es schwer hatten; erst dort konnte er dem Volkskommissar sein wohlformuliertes Ansinnen unterbreiten. Zum Glück blieben ihm noch mehrere Stunden, bevor die Katana die Gefangenen an Bord der Count Tilly brachte.
Endlich blickte er wieder Bogdanovich ins Gesicht und grinste.
»Prächtige Neuigkeiten, Yuri«, sagte er. »Informieren Sie unverzüglich Bürger Kommissar Honeker und bereiten Sie alles vor, um Commodore Harrington und die anderen dienstälteren Gefangenen mit den entsprechenden militärischen Ehren zu empfangen. Nach allem, was ich gehört habe, ist sie immer sehr darauf bedacht gewesen, Gefangene anständig zu behandeln; dafür wollen wir uns nun revanchieren.«
»Jawohl, Bürger Konteradmiral.«
»Ach, das erinnert mich an etwas. Benachrichtigen Sie auch Shannon. Sie wird Commodore Harrington wahrscheinlich ebenfalls ihren Respekt erweisen wollen.«
»Ich kümmere mich darum, Bürger Konteradmiral.«
»Danke. Und rufen Sie mich … sagen wir, fünfundvierzig Minuten vor dem Rendezvous mit der Katana .«
»Jawohl, Bürger Konteradmiral.«
»Danke«, wiederholte Tourville und schaltete ab. Seine Zigarre war erloschen, und so entzündete er sie wieder. Paffend schaukelte er mit dem Sessel vor und zurück. In welche Schiffsabteilung sollte er Honeker locken, um ihn dort um Mithilfe anzugehen?
»Bürgerin Captain Zachary läßt sich empfehlen und Sie und Ihre Offiziere bitten, mich zwecks Transfer zum Flaggschiff in den Beiboothangar zu begleiten, Commodore.«
Honor wandte sich Bürger Commander Luchner zu, als er sie ansprach. Daß sich die Luke geöffnet hatte, mußte sie überhört haben. Sie fragte sich, inwieweit ihre Unaufmerksamkeit von ihrer niederschmetternden Verzweiflung herrührte. Ihr ausdrucksloses Gesicht mußte doch jedem als Beweis genügen, daß sie sich auf ganzer Linie besiegt fühlte. Und es forderte Honor sämtliche verbliebene Kraft ab, diese Ausdruckslosigkeit aufrechtzuerhalten. Sie nickte dem I.O. der Katana zu.
»Vielen Dank, Bürger Commander.« Der Ton der eigenen Stimme überraschte sie. Sie klang heiser und rauh, als hätte Honor wochenlang nicht gesprochen, doch davon abgesehen klang ihre Stimme so natürlich – so normal –, daß sie einer anderen Person gehören mußte, die nur vorgab, mit Honor identisch zu sein. Sie wischte diese bizarre Vorstellung beiseite und räusperte sich – was anscheinend nicht viel weiterhalf.
»Bitte richten Sie Ihrer Kommandantin meinen Dank aus. Die Besatzung und Sie haben sich vorbildlich um unsere Leute gekümmert … besonders um die Verwundeten. Ich weiß das zu würdigen.«
Luchner setzte zu einer Antwort an und hielt inne; was
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