Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Kommandanten von Prince Adrian identifiziert, Captain Alistair McKeon, RMN, und die Kommandeurin des Geleitgeschwaders für den Konvoi, der sich unserem Zugriff entzogen hat, Commodore Honor Harrington. Außerdem befinden sich mehrere Offiziere aus dem Geschwaderstab Commodore Harringtons in unserem Gewahrsam.« Wieder schwieg sie, als fände sie das, was sie gerade gesagt hatte, selbst völlig unglaubwürdig, und dann zuckte sie fast unmerklich mit den Schultern.
»Sofern ich keine gegensätzlichen Anweisungen erhalte, beabsichtige ich Bürger Captain Turner und Nuada mit der Sicherung von Prince Adrian zu betrauen und die gefangenen Offiziere so schnell als möglich an Bord von Katana zum Flaggschiff zu verlegen. Auf dem Weg zum Rendezvous werde ich weiterhin eigene Gefechtsschäden eruieren und hoffe, bei Ankunft einen umfassenden Bericht liefern zu können. Bürger Kommissar Kuttner ist über meine Absichten unterrichtet und hat sein Einverständnis erteilt. Zachary aus.«
Der Bildschirm erlosch, und im nächsten Augenblick erschien wieder Bogdanovichs Gesicht. Die Augen des Stabschefs funkelten, und Tourville spürte, daß sich auch ihm selbst ein breites Grinsen aufs Gesicht stahl. Er wußte, daß seine Aufregung und sein Erfolgsgefühl in keinem Verhältnis stand zu der Kaperung eines einfachen Schweren Kreuzers, denn seine Schiffe hatten im Adler-System bereits elf andere Schiffe erbeutet. Der fragliche Kreuzer konnte ruhig zu der Navy gehören, von der die Volksflotte seit sechs Jahren regelmäßig nach Strich und Faden fertiggemacht wurde. Das spielte keine Rolle.
»Harrington«, murmelte er. »Bei Gott, Harrington !«
»Jawohl, Sir! Ich meine natürlich: Jawohl, Bürger Admiral!«
Bogdanovich erstattete ihm sein breites Grinsen mit Zinsen zurück, und Tourville lehnte sich mit dem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. Ein fast träumerischer Ausdruck stahl sich auf sein Gesicht, und er zog eine Zigarre aus seiner Brusttasche. Ob es sich nun um Gehabe handelte oder nicht, einen passenderen Moment für eine Zigarre gab es wohl kaum.
Harrington , dachte er. Erst Adler, und jetzt Harrington!
Er packte die Zigarre aus, biß ihr mit weißen, kräftigen Zähnen die Spitze ab und entzündete sie mit übertrieben genauen Bewegungen, während er überlegte, was die Öffentliche Information wohl aus dieser Neuigkeit machen würde. Ein kleiner Commodore wäre normalerweise nicht als besonders großer Fang angesehen worden, schon gar nicht im Vergleich zu den ganzen Legionen von republikanischen Vizeadmiralen und Volladmiralen, die den Manticoranern ins Netz gegangen waren. An diesem bestimmten Commodore aber war nichts ›klein‹. Honor Harrington war ein Schreckgespenst für die Volksflotte. Sie war zum Inbegriff des gewaltigen Abgrundes zwischen der Tüchtigkeit der RMN und VFH geworden. Tourville kostete das Gefühl aus, einen ersten großen Schritt zur Überwindung dieses Abgrundes getan zu haben. Obwohl der Sieg bei Adler nur einen untergeordneten Triumph darstellte, bedeutete er für die RMN die erste uneingeschränkte Niederlage seit fünfhundert T-Jahren, und das manticoranische Volk würde diese Tatsache mit der gleichen Klarheit erkennen wie Tourville. Vermutlich hatte er schon mehr erreicht als Bürger Admiral Theisman zu hoffen wagte, doch nun hatten die Schiffe unter seinem Befehl sozusagen als Überraschungsbonus ausgerechnet Honor Harrington gefangengenommen.
Er gestattete sich den Luxus, kurz über die Folgen seines Triumphes nachzusinnen, während Bogdanovich auf eine Reaktion wartete. Dann stieß Tourville eine blaue Rauchwolke aus und bemühte sich, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen. Ihm war klar, daß der Erfolg einige nicht ganz ungefährliche Konsequenzen nach sich ziehen konnte. Zum einen war es gut möglich, daß man ihn dafür beförderte, und das wäre schlecht. Bislang hatte Tourville glücklich vermieden, daß man ihn in einen höheren Rang beförderte, welcher ein unabhängiges Kommando, wie er es so sehr liebte, fortan unmöglich machte; darüber hinaus setzte ihn eine Beförderung dem Risiko aller Flottenchefs aus: kurzem Prozeß bei einem Fehlschlag. Wenn das Ministerium für Öffentliche Information zu dick auftrug, dann blieb der Volksflotte nichts anderes übrig, als ihm eine Beförderung anzubieten, und eine Beförderung war stets ein Angebot, das man nicht ablehnte.
In jeder Flotte, auch einer, deren Oberkommando im Griff revolutionären
Weitere Kostenlose Bücher