Honor Harrington 7. In Feindes Hand
gewonnen hatte. Von Anfang an hatte Shannon Foraker Honor – und eben Nimitz – so häufig besucht, daß es Honor beinah Sorge bereitete. Zu große Vertrautheit mit einem manticoranischen Offizier mußte einem havenitischen Offizier irgendwann ernsthafte Schwierigkeiten bereiten, und Honor hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie Foraker nicht darauf hinwies, daß ein wenig mehr Abstand für sie wohl ratsam wäre. Andererseits war sie viel zu dankbar für die Besuche der Havenitin, um sie ihr auszureden. Am Ende hatte Tourville sie offiziell zum Verbindungsoffizier zu Honor ernannt.
Foraker war dafür gewiß die Richtige, wenn es Tourville in erster Linie darum ging, eine Beobachterin seines Vertrauens zu entsenden, die sich davon überzeugen sollte, daß die Gefangenen korrekt behandelt wurden. Honor vermutete jedoch, daß der Bürger Konteradmiral ein zusätzliches Motiv besaß: Forakers gegenwärtiger Posten als Operationsoffizier unterschied sich trotz ihrer Beförderung nicht sonderlich von ihrem alten Posten als Taktischer Offizier der Vaubon – die Rolle, in der Honor sie in Silesia kennengelernt hatte. Ganz offensichtlich wollte Foraker sich für die gute Behandlung revanchieren, die Honor den havenitischen Offizieren an Bord von HMS Wayfarer hatte zukommen lassen. Doch was die Vorgesetzten in allen anderen Weltraumstreitkräften als ehrenvolle Absicht erkannt hätten, konnte sich gegenwärtig für einen Offizier der Volksflotte von Haven als außerordentlich gefährlich erweisen – und deshalb hatte Tourville ausgerechnet Foraker zum Verbindungsoffizier gemacht. Da sie nun unter Befehl stand, sich um das Wohlergehen der Gefangenen zu kümmern, war sie außer Gefahr; schließlich konnte ihr kein Volkskommissar vorwerfen, sie habe sich zu gewissenhaft um ihre Aufgaben gekümmert.
Daß Foraker die Absicht Tourvilles begriffen hatte (immer unter der Voraussetzung, daß Honor seine Intentionen richtig deutete), war recht unwahrscheinlich; dieser blinde Fleck trug indes zu Forakers Charme bei. Sie besaß eine geradezu kindliche Naivität – weder Torheit noch Einfalt, sondern eine Grundverweigerung (oder grundlegende Unfähigkeit), sich ihre persönlichen Beziehungen von den ideologisch aufgeheizten Sachzwängen diktieren zu lassen, welche die gesamte Volksflotte im Würgegriff hielten. Foraker besaß anscheinend kein Quentchen von jenem konstruktiven Verfolgungswahn, mit dessen Hilfe sich so viele ihrer Kameraden den Weg durch die Minenfelder ringsum bahnten. Honor fragte sich, was aus Foraker geworden wäre, wenn die Taktikerin für ihre Vorgesetzten auch nur etwas weniger wertvoll gewesen wäre … der Gedanke jagte Honor einen Schauder nach dem anderen den Rücken hinunter. Zweifelsohne war es albern, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was einem Offizier einer feindlichen Flotte zustoßen mochte, besonders, wenn es sich dabei um eine außerordentlich gefährliche Taktikerin wie Foraker handelte, doch fiel es schwer, sich dies vor Augen zu halten, wenn Foraker die Köche der Count Tilly wiederholt auf Honors besondere ›Diätbedürfnisse‹ hinwies oder in ihrer knappen Freizeit vorbeikam, um mit McGinley Schach zu spielen, Nimitz Sellerie oder Metcalf die Malutensilien zu bringen, die auf Forakers Anweisung aus ihrer Kammer an Bord der Prince Adrian geborgen worden waren.
Und sowenig Foraker sich der möglichen Gefahren bewußt sein mochte, die ihr persönlich drohten, so hatte sie zweifellos Honors größte Sorge erkannt und Schritte unternommen, um diese Sorge zu bannen. Nicht nur, daß sie andere Havies mitgebracht hatte, damit sie Nimitz kennenlernten – bei dem man sich darauf verlassen konnte, daß sein Charme auch den anfänglich steifsten Höflichkeitsbesuch auflockerte –, sie hatte sich den ‘Kater sogar mehrmals ›ausgeborgt‹. Offiziell sorgte sie dafür, daß Nimitz Bewegung und Auslauf erhielt; tatsächlich stellte sie ihm so vielen Personen an Bord der Count Tilly vor wie möglich, und das mit der offensichtlichen Absicht, sie davon zu überzeugen, daß ihnen von Nimitz keinerlei Gefahr drohte.
Honor war Foraker für ihre Bemühungen äußerst dankbar. Allerdings hätte sie sich davon weitaus optimistischer stimmen lassen, wenn sie nicht entdeckt hätte, daß zumindest Tourville über Nimitz’ Gefährlichkeit genau im Bilde war. Der Bürger Konteradmiral pflegte Honor, McKeon und ›Colonel‹ LaFollet als die ranghöchsten Kriegsgefangenen mehr oder weniger regelmäßig zum
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