Honor Harrington 7. In Feindes Hand
brauchte sie sich nun nicht mehr mit falschen Hoffnungen zu quälen.
Nimitz sprang von Metcalfs Schoß, und mit einem vernehmlichen Geräusch kamen seine Pfoten auf dem Boden auf. Er flitzte über das Deck zu Honor. Ohne den Blick von Foraker zu nehmen, bückte sie sich und hob ihn auf. Sie drückte sich den ‘Kater so fest an die Brust, daß sie fast erstaunt war, weil er nicht vor Schmerz jaulte. Ringsum schien das Universum ins Stocken geraten zu sein. Für Honor existierten nur noch Foraker, deren jammervolle Augen bestätigten, daß sie Honors Einschätzung ihrer Zukunft teilte, und die lebendige, unvergleichlich wertvolle Wärme des Baumkaters in ihren Armen.
Dann begriff sie, daß sie sich irrte. Eine Sache blieb, der sie sich auch jetzt nicht entziehen konnte: der Pflicht. Pflicht vor ihrer Königin, der Honor nicht dadurch Schande bereiten wollte, daß sie nun Schwäche zeigte. Pflicht gegenüber ihren Leuten, die sie nicht verraten durfte, indem sie ausgerechnet jetzt zusammenbrach, wo sie doch Honor am nötigsten brauchten. Und schließlich auch Pflicht sich selbst gegenüber: die Pflicht, sämtliche Reste ihrer zernagten und abgenutzten Willensstärke zusammenzuraffen und sich allem, was ihr drohte, möglichst würdevoll zu stellen.
»Vielen Dank, Shannon. Bitte richten Sie Bürger Admiral Tourville meinen Dank aus – sowohl dafür, daß er mich informiert hat, als auch für seine so oft bewiesene Freundlichkeit«, sagte Lady Dame Honor Harrington gelassen und lächelte.
20
Hamish Alexander war, als habe ihm jemand einen Hieb in die Magengrube versetzt.
Er ließ sich in einen Stuhl sinken, ohne die Augen von Lieutenant Nathan Robards’ Gesicht zu nehmen. Es war sehr still in dem weitläufigen Arbeitszimmer an Bord des Superdreadnoughts GNS Benjamin the Great; nur das geduldige rhythmische Ticken der antiken Uhr durchdrang die Stille, ohne sie eigentlich zu brechen. Die Uhr war ein Geschenk des Herzogs von Cromarty, erinnerte sich White Haven zusammenhanglos, als suche er krampfhaft nach einer Ablenkung. Leider betonte das leise, präzise Ticken die herrschende Stille, eine Stille, als könne das ganze Schiff nicht glauben, was der Flaggleutnant gerade gemeldet hatte.
»Verschollen?« wiederholte White Haven schließlich, und selbst in seinen eigenen Ohren klang dieses Wort, als hätte es jemand ausgesprochen, der die Realität verändern zu können glaubte, indem er die Augen schloß und sich fest genug etwas anderes wünschte.
»Jawohl, Mylord«, antwortete der junge Grayson. »Hier ist Admiral Sorbannes Depesche.« Er reichte White Haven das elektronische Klemmbrett, das er unter dem Arm trug, als wolle er es dringend loswerden, doch der Earl schüttelte nur den Kopf.
»Später«, sagte er rauh, senkte den Blick, betrachtete seine Hände und schluckte. »Ich sehe es mir später an, Nathan«, brachte er in natürlicherem Ton hervor. »Sagen Sie mir nur das Wichtigste.«
»Admiral Sorbannes vorläufiger Bericht schweigt sich in einigen Details aus, Mylord«, begann Robards respektvoll, doch als White Haven ungeduldig abwinkte, steckte der Flaggleutnant sich unglücklich das Klemmbrett wieder unter den Arm, straffte den Rücken und nahm eine Art Rührt-euch-Stellung ein.
»Wie Dame Madeleine bereits berichtete«, erklärte er, »hat Haven das Adler-System zumindest vorübergehend wieder in seine Gewalt gebracht und im Zuge dessen Commodore Yeargins Kampfgruppe vernichtet. Aber Lady …« Robards verstummte, als sei er von seinem eigenen Bericht überrascht worden, hustete in die vorgehaltene Faust und sprach in beherrschtem Tone weiter.
»Lady Harrington war sich dieses Umstands nicht bewußt und besaß daher keinen Anlaß, eine Begegnung mit feindlichen Kräften zu erwarten. Aus Gründen, welche Admiral Sorbannes Bericht nicht eindeutig zu entnehmen sind, befand sie sich zu Besuch an Bord von Captain McKeons Schiff, das die Führungsposition des Konvois übernommen hatte. Irgendwann zwischen der Normalraumtransition der Prince Adrian und der des übrigen Geleitzugs bemerkte Lady Harrington die Anwesenheit der Havies und wies Captain McKeon an, den Feind vom Ankunftspunkt des Konvois fortzulocken. Für Captain Greentree hinterließ sie den Befehl, sich mit dem Konvoi augenblicklich in den Hyperraum zurückzuziehen. Sie beabsichtigte, unabhängig vom Geleitzug nach Clairmont zurückzukehren. Als die Prince Adrian zum letztenmal gesichtet wurde, schien sie allen Verfolgern mit Ausnahme
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