Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Adler-System entsandt worden, und wenn er ihr an jenem Abend in der Bibliothek nicht dieses … Gefühl vermittelt hätte, dann hätte sie sich gar nicht erst verfrüht zurückgemeldet. Deshalb lastete ihr Schicksal auf seinem Gewissen – aus einem Grund, den niemals jemand anderer erfahren würde.
White Haven konnte später nicht genau sagen, wie lange er ins Gesicht des längst verstorbenen Protectors gestarrt hatte, nach dem sein Flaggschiff benannt worden war. Am Ende atmete er tief durch und riß sich zusammen.
Noch besteht kein Grund zu der Annahme, daß sie tot ist , versicherte er seinem Gewissen. Lady Harrington hatte schon mehrmals eine schier unheimliche Überlebensfähigkeit gezeigt, und von so gut wie jedem Schiff, das im Gefecht besiegt wurde, gab es zumindest einige Überlebende. So lange ihr Tod nicht offiziell bestätigt worden war, lebte sie für ihn noch. Anders ging es nicht.
Schließlich kehrte er sich von dem Porträt ab und nahm wieder am Schreibtisch Platz. Schon wollte er das elektronische Klemmbrett zur Hand nehmen, das Robards für ihn liegengelassen hatte, doch dann zog er die Hand zurück. Auch das kann warten , ermahnte ihn sein gesunder Menschenverstand. Also wandte er sich dem Terminal und den zahllosen Berichten zu, um die er sich zu kümmern hatte. Admiral White Haven hätte niemals gedacht, daß er einmal froh sein könnte über die endlosen bürokratischen Nichtigkeiten, die stets beim Zusammenziehen einer Flotte zuhauf auftreten, doch an diesem Tag war er froh und stürzte sich in die Aktenarbeit wie ein Mann, der nach Zuflucht vor den Dämonen sucht, die ihn ohne Unterlaß heimsuchen.
Thomas Theismans dunkelgrüne Uniformjacke hing unordentlich über einer Stuhllehne, und seine bestrumpften Füße ruhten bequem auf dem Couchtischchen aus gehämmertem Kupfer. Sein Uniformhemd hatte er am Kragen schlampig aufgeknöpft, und er blickte trübsinnig in sein Glas. Selbst ein Bürger Admiral konnte nicht die Preise bezahlen, die heutzutage in der VFH für Whiskey von Alterde verlangt wurden, und Theisman trank nur sehr selten. Jedenfalls zu selten, um sich einen eigenen Alkoholvorrat angelegt zu haben. Sein Versorgungsoffizier hatte ihm imitierten T-Whiskey besorgt, der gleich hier im Barnett-System gebrannt wurde. Obwohl Theisman der Vergleich fehlte, hegte er den dringenden Verdacht, daß die Imitation recht armselig ausgefallen sei – zu diesem Schluß war er sofort gelangt, als das erste Glas ihm die Geschmacksknospen versengte. Das reichliche Quantum, das er seitdem getrunken hatte, brannte ihm mit einer Beharrlichkeit im Magen, die ihn keineswegs zu einer Neubewertung der Qualität bewegen konnte. Immerhin besaß das Getränk die ersehnte Eigenschaft: es betäubte Theismans Gehirn. Er goß erneut einen Schuß der bernsteinfarbenen Flüssigkeit auf das Eis in seinem Glas und verfluchte die launische Göttin des unglückseligen Zufalls.
Als Tourvilles Kurierboot eintraf, war Cordelia Ransom bereits seit zehn Tagen im Barnett-System, und zunächst hatte sich Theisman deswegen schwache Hoffnungen gemacht. Überall geisterten Ransoms HD-Kamerateams herum, mischten sich in alles ein, standen jedem im Weg und ruinierten in Theismans komplettem Kommandobereich sämtliche Leistungswerte. Selbst den Mannschaftsdienstgraden fiel es allmählich auf den Nerv, daß die Öffentliche Information überall umherwuselte, und seine Nachrichtenoffiziere erlebten einen Panikanfall nach dem anderen, wenn sie vergeblich mögliche Brüche der operativen Sicherheit zu verhindern suchten.
Theisman überlegte, wie schön es doch gewesen sein mußte, in der Zeit vor Erfindung des Warshawski-Segels zu leben, als es noch keine nennenswerte interstellare Kommunikation gegeben hatte. Heutzutage kostete es Kurierboote zwar Wochen oder Monate, um ihre Reise zu beenden, aber bedauerlicherweise erreichten so gut wie alle früher oder später ihr Ziel. Die großen Nachrichtenagenturen wie United Faxes Intragalactic, Reuters Beowulf und der Interstellar News Service – alle aus der Solaren Liga – waren schon Plage genug, doch wenigstens konnte man mit Zugangssperren und aufmerksamer Überwachung den Schaden eingrenzen, den sie anrichteten. Allerdings war auf keine einzige Gegenmaßnahme hundertprozentig Verlaß, und die Liga bestand offiziell auf der ›Freiheit der Berichterstattung‹, was alles nur noch schwieriger machte. Die Korrespondenten glaubten anscheinend, ihre Presseausweise verliehen ihnen
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