Honor Harrington 7. In Feindes Hand
sie ernstlich damit rechnete, daß jemand, der unter Honor Harrington diente, so leicht zusammenbrechen würde.
Er saß völlig reglos da und beobachtete die Gefangenen, die unerschütterlich Ransoms und Vladovichs Blick standhielten. Von seinem Platz aus hatte Caslet eine sehr gute Sicht auf Ransoms Gesicht und bemerkte daher, wie sie die Zähne zusammenbiß und rot anlief. Aber sie konnte doch nicht allen Ernstes erwartet haben, so leicht ans Ziel zu gelangen, oder?
»Ich will nur eines klarstellen«, hob Ransom nach einer weiteren langen Pause emotionslos an. »Die Volksrepublik ist bereit, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Aber nur für diejenigen, die die verbrecherischen Ziele ihrer Führer als solche erkennen und sich von den Fesseln der Plutokratie zu befreien wünschen. Vielleicht hat ein Element der Gehirnwäsche, der Sie von Ihren Oberherren unterzogen worden sind, in Ihnen das Gefühl verankert, es sei unehrenhaft, zur anderen Seite ›überzugehen‹, wie man es so schön nennt. Aber Sie wären doch gar keine Verräter! Vielmehr würden Sie sich auf Ihre eigene Seite stellen – die Seite des Volkes, das sich gegen seine Unterdrücker auflehnt! Denken Sie sorgfältig darüber nach, bevor Sie dieses Angebot ablehnen. Es wird Ihnen nie wieder gemacht werden, ganz gleich, wie sehr die Bedingungen in Camp Charon Sie auch wünschen lassen werden, es hier angenommen zu haben!«
Die Arme auf den Tisch gelegt, beugte sie sich vor und blickte mit kalten blauen Augen durchdringend von einem Gefangenen zum anderen. In dieser Haltung wirkte sie wie ein goldhaariges, zum Sprung geducktes Raubtier, und unter ihrem gierigen Starren rutschte der eine oder andere Kriegsgefangene unruhig auf der Stelle umher. Doch niemand meldete sich zu Wort, und endlich atmete Ransom vernehmlich durch und lehnte sich zurück.
»Wie Sie wollen. Sie haben sich entschieden. Ich bezweifle, daß Sie mit dieser Entscheidung glücklich werden. Bürgerin Captain de Sangro, entfernen Sie die Häftlinge.«
»Jawohl, Bürgerin Committeewoman!« Der SyS-Captain nahm zackig Haltung an und nickte den Soldaten zu. »Sie haben die Bürgerin Committeewoman gehört. Schaffen Sie diesen elitären Abschaum in die Käfige zurück.«
»Einen Augenblick!« Köpfe fuhren herum, als einer der Gefangenen doch noch das Wort ergriff. Ein breitschultriger Offizier, den Caslet nicht kannte und dessen dunkles Haar erste silbrige Strähnen aufwies, trat vor, indem er die warnenden Blicke der Wärter ignorierte, und Ransom legte den Kopf schräg.
»Und Sie sind?« fragte sie geringschätzig.
»Captain Alistair McKeon«, antwortete der unbekannte Offizier tonlos.
»Sie wünschen sich dem Volk in seinem Kampf gegen die Unterdrückung anzuschließen?« erkundigte sich Ransom ironisch, doch McKeon ging nicht auf ihre Frage ein.
»Als dienstältester anwesender Offizier der Königin«, sagte er schneidend, »lege ich offiziell Protest gegen die Mißhandlung und Beschimpfung meiner Leute ein. Ferner verlange ich Commodore Harrington zu sehen – und zwar auf der Stelle.«
»Ein ›Offizier der Königin‹ zählt hier gar nichts!« fauchte Ransom. »Und mich beeindrucken weder Ihre Proteste noch Ihre Forderungen. Sie haben hier nur genau die Rechte, die das Volk Ihnen zugesteht, und im Augenblick sehe ich keine Veranlassung, Ihnen irgend etwas einzuräumen. Was die Frau betrifft, die Sie als Commodore Harrington bezeichnen, so werden Sie sie wiedersehen, wenn wir die Dame hängen!«
»Nach den Deneber Übereinkün …« begann McKeon, und Ransom erhob sich mit einem Ruck.
»Bürgerin Captain de Sangro!« schnarrte sie, und ein Gewehrkolben traf McKeon auf den Mund. Er brach zusammen und spuckte Blut und ausgeschlagene Zähne. Zornentbrannt trat Venizelos vor, doch Lethridge und Tremaine packten ihn. Surgeon Lieutenant Walker kniete sich neben seinen Kommandanten und schaute zu dem Soldaten hoch, der den Hieb geführt hatte. Vor dem Blick des Schiffsarztes wich der Soldat unwillkürlich einen Schritt zurück. Ransom beobachtete ungerührt, wie Walker seinen Captain untersuchte und ihm schließlich aufhalf. McKeon taumelte, hielt sich an seinem Schiffsarzt fest und fuhr sich mit dem Handrücken über die zerschlagenen Lippen. Fast leidenschaftslos blickte er auf das Blut, dann sah er Cordelia Ransom in die Augen.
»Ich hoffe, Ihre Kameras haben alles im Kasten«, sagte er mühsam, aber verständlich. »Das ist gutes Material, wenn der Krieg vorüber ist und Ihnen
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