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Honor Harrington 7. In Feindes Hand

Honor Harrington 7. In Feindes Hand

Titel: Honor Harrington 7. In Feindes Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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ihm vor, als hätte sich ein grundlegendes Gesetz der Physik ad absurdum geführt. Einer der unerschütterlichen Eckpfeiler des Lebens war ihm unter den Füßen zerfallen, und tief verletzt wollte er den Kosmos dafür anbrüllen, ihn derart hintergangen zu haben. Nur hatte nicht das Universum den Verrat verübt, und mit Wutanfällen ließ sich nie etwas ändern.
    Er holte tief Luft und hielt den Atem an. Tremaine betrauerte den Tod des Mannes, der Horace Harkness einmal gewesen war, dann zwang er sich, seine Trauer beiseite zu schieben. Zurück käme sie schon von ganz allein. In dieser Kammer aber war er der rangälteste Offizier, und deshalb hatte er die Pflicht, die anderen zu führen – ein Beispiel zu geben. Sofort fielen ihm die zahlreichen Lektionen ein, die Harkness ihn vor seinem Verrat erteilt hatte. Das Bedürfnis, nach Harkness’ Lehren zu leben, erschien Tremaine sonderbarerweise gerade jetzt besonders dringlich. Fast war ihm, als wäre Harkness auf irgendeine Weise noch nicht verloren, solange er nur diese Lehren hochhielt. Genau das würde auch Lady Harrington von ihm erwarten – und Captain McKeon ebenfalls. Für Scotty Tremaine war es unvorstellbar, in den Augen gewisser Menschen zu versagen. Er fragte sich, ob Lady Harrington oder McKeon je ahnten, daß nicht Mut oder Entschlossenheit ihn davon abhielten, vor Clinkscales, Mayhew, Candless oder Whitman seine Verzweiflung zu zeigen, sondern die Unmöglichkeit, sich selbst so weit zu vergessen, daß er den Maßstäben seiner Vorbilder nicht mehr genügte.
    Und natürlich lag es auch an Horace Harkness. Zu sehr hatte er die Lektionen des Senior Chiefs verinnerlicht, um sie einfach abzustreifen, ganz gleich, was an Bord der Tepes geschehen war.
     
    James Candless beobachtete Lieutenant Commander Tremaine, der zu Clinkscales ging, sich neben den Ensign setzte und dann leise und ermutigend auf ihn einredete. Obwohl Candless als Offizier der Marineinfanterie geführt wurde, fühlte er sich unter den Offizieren völlig fehl am Platze. Whitman empfand, wie er wußte, das gleiche. Der wahre Grund für ihre Verlorenheit bestand jedoch darin, daß man ihnen den zentralen Bezugspunkt ihres Lebens genommen hatte. Sie waren graysonitische Waffenträger, aber man hatte ihre Gutsherrin eingekerkert und zum Tode verurteilt, und trotzdem lebten sie noch.
    Diese Schande tragen wir bis an unser Ende , dachte Candless.
    Sie waren nicht einmal zugegen gewesen, als die Havenitin das Todesurteil sprach, und die Offiziere, die dabei gewesen waren, hatten ihnen nicht sagen wollen, was geschehen war. Trotzdem wußten sie es. Zwar trugen sie keine Schuld, doch das bedeutete gar nichts. Die Gutsherrin war geschlagen und zu Boden geprügelt, Nimitz verletzt und beinahe getötet worden, und die Waffenträger lebten noch. Davongeschleift hatte man die Frau, die mit ihrem Leben zu schützen sie geschworen hatten, und nun befand sie sich in der Gewalt von Menschen, die sie haßten, und noch immer lebten ihre Waffenträger.
    Candless biß die Zähne aufeinander, kniff fest die Augen zusammen und kämpfte gegen das quälende Gefühl an, völlig versagt zu haben. Auch Whitman wurde von diesen Gefühl gepeinigt, doch wußte der andere Waffenträger nicht, wie tief Candless’ Verzweiflung reichte. Sechs Jahre lang deckte er nun der Gutsherrin den Rücken, er und Major LaFollet. Sechs lange Jahre waren sie immer dort gewesen, wo sie hingehörten, und hatten die Gutsherrin gegen ihre Feinde beschützt und notfalls sogar gegen sich selbst – gegen ihren Mut und ihre Neigung, sich für andere in Gefahr zu begeben. Nun war sie allein, und allein Gott, der Prüfer, wußte, wo sie sich befand. Gewiß erduldete sie nun Mißhandlungen, über die auch nur der Prüfer berichten konnte, und wußte, daß sie sterben würde; Jamie Candless aber sollte sein Recht verwehrt bleiben, an ihrer Seite den Tod zu finden.
    Er öffnete wie die Augen wieder und beobachtete Tremaine und Clinkscales. Das Gesicht des Ensigns wirkte gereifter; mit der eigenen Hilflosigkeit konfrontiert zu werden hatte seine jugendliche Unsicherheit weggebrannt. Candless drehte den Kopf und sah Whitman an, der in der Toilettenkabine stand und seine Uniform wusch, dann Lieutenant Mayhew, der in der Ecke saß und gegen Surgeon Lieutenant Walker Schach spielte; das Schachbrett existierte nur in ihren Köpfen. Alle machten irgendwie weiter, denn jeder lehnte es ab, sich aufzugeben, aber wie lange hielten sie noch durch? Selbst wenn

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