Honor Harrington 7. In Feindes Hand
seine offiziellen Pflichten erforderlich machten? Zweifellos erwiesen sich die HD-Chips bei seiner Verhandlung als sehr nützlich – falls man sich die Mühe machte, ihn vor Gericht zu stellen.
Caslet trat aus dem Lift und nickte knapp den vier Wächtern an der ›Pforte‹ zu, dem Kontrollpult auf halber Länge des Ganges. Die SyS-Soldaten blickten alarmiert auf, strafften die Schultern und ließen unzulässige Kaffeetassen verschwinden, doch als sie sahen, daß es nur Caslet war, entspannten sie sich. Selbst wenn sich über ihn und sein bevorstehendes Schicksal keine Gerüchte im Umlauf befunden hätten, wäre er trotzdem bloß ein Flottenoffizier gewesen. Der Sergeant vom Dienst gab den anderen mit einem Wink zu verstehen, sitzen zu bleiben, und ging in schlenderndem Schritt dem Besucher entgegen.
»Was kann ich für Sie tun, Bürger Commander?« fragte er; zu salutieren erachtete er offenbar als überflüssig.
»Ich hätte gern mit den dienstältesten Häftlingen gesprochen, Bürger Sergeant Innis«, antwortete Caslet, und der Wärter zuckte mit den Schultern.
»Nicht mein Bier«, grunzte er und winkte einen der drei anderen herbei; dann drehte er sich um und ging zu der verschlossenen Luke. Eine Frau hinter dem Schreibtisch reagierte auf seine Geste, indem sie ein Schrapnellgewehr aus der Wandhalterung nahm, sich fünf Schritte hinter dem Sergeant aufstellte und das Gewehr auf die Luke richtete. Erst dann gab Innis die Kombination ein, die das Schloß entriegelte.
»’n bißchen lebendiger, Manties!« rief er durch die zur Seite fahrende Lukentür. »Ihr habt ‘nen Gast!«
Die Beleuchtung der Kammer schaltete sich ein, und Caslet empfand ein leichtes Schuldgefühl, als sich schlaftrunkene Männer in ihren Kojen aufsetzten. Nach den Uhren der Tepes war es mitten in der Nacht, doch am Morgen wären die Männer bereits fortgeschafft gewesen, ohne daß Caslet sie noch einmal hätte sehen können.
Er nickte dem Sergeant zu und trat in die Kammer, so daß Innis hinter ihm die Luke verschließen konnte. Gähnen verstummte plötzlich, und die Schläfrigkeit in den Augen der Gefangenen wich angespannten Mutmaßungen. Caslet blieb an der Luke stehen, bis die Männer endgültig aufgewacht waren.
Als er diese Kammer zum erstenmal aufsuchte, hatte man ihn mit Frostigkeit begrüßt, was Caslet den Gefangenen kaum übelnehmen konnte. Tatsächlich rechnete er damals mit Schlimmerem, und niemand hatte ihn unterrichtet, daß ›Colonel‹ LaFollet sich in dieser Zelle befand. Lady Harringtons Waffenträger hatte ihn jedoch erkannt und ihn den anderen Offizieren vorgestellt – auf eine Weise, die wortlos, wenngleich deutlich sagte, dieser Havie sei anders. Mittlerweile verband Caslet mit McKeon eine vorsichtige Freundschaft. Venizelos stand ihm mißtrauischer gegenüber, doch McKeon – und besonders LaFollet und Montaya – waren zu dankbar über Caslets Bemühungen, medizinisches Material zur Versorgung von Nimitz heranzuschaffen, als daß sie ihm noch echte Feindseligkeit entgegenzubringen vermochten.
Der Gedanke an den Baumkater bewegte Caslet dazu, die Abteilung zu durchqueren und sich an LaFollets Koje zu stellen. Wie jedesmal verkrampfte sich ihm auch diesmal das Herz, als Nimitz sich in seinem Nest aus Decken auf die Pfoten stellte, um ihn zu begrüßen. Baumkatzenknochen heilten zwar schneller als menschliche, doch da man an Bord der Tepes Montaya die nötigen Instrumente verweigerte, war der Arzt nicht imstande, Nimitz’ Verletzungen optimal zu behandeln. Der ‘Kater war zwar wieder ein wenig zu Kräften gekommen, aber die zerschmetterte Mittelschulter und der Mittelarm waren nach wie vor verkrümmt und unbrauchbar; Montaya hatte sie nur in annähernd richtige Positionen bringen können. Nimitz sah sich durch die Verletzung seiner gewohnten, dahinfließenden Anmut beraubt, und wenn er sich bewegte, zeigten seine Augen und die halb zurückgelegten Ohren deutlich seinen Schmerz. Der ‘Kater wehrte jedes Selbstmitleid ab. Nun erhob er sich zu einer beinahe aufrechten Haltung und schwankte dabei ein wenig nach rechts, weil seine verletzte Körperhälfte seinen Gleichgewichtssinn beeinträchtigte. Er begrüßte Caslet mit einem »Bliek«.
Caslet war sich im klaren, wie entscheidend Nimitz’ Sympathie und Vertrauen dazu beigetragen hatten, daß die Gefangenen ihn akzeptierten, und strich dem ‘Kater behutsam mit der Hand über den Kopf, dann wandte er sich an McKeon.
»Tut mir leid, Sie zu wecken,
Weitere Kostenlose Bücher