Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Vorfreude und das Vergnügen an der Arbeit, denn nichts haßte er mehr als stolze Menschen. Denn dieser Menschenschlag schwebte oft hochnäsig in den erhabenen Gefilden seiner großartigen Leistungen und blickte höhnisch auf die geringen Sterblichen zu seinen Füßen hinab, und deshalb weckten solche Menschen in Timmons eine ganz besondere Freude, wenn er sie von ihren Höhen zu sich herunter zerrte. Im Umgang mit verhafteten Legislaturisten war ihm eines klargeworden: je größer die Macht einer Person vor ihrer Verhaftung gewesen war, desto wirksamer waren Demütigungen, wenn es darum ging, den Widerstand des Gefangenen zu brechen. Jemand, der gewöhnt war, über sich und seine Umwelt selbst zu bestimmen, der es nicht anders kannte, als daß seine Anweisungen umgehend ausgeführt wurden, den traf die plötzliche Machtlosigkeit weitaus tiefer als jemanden, der nie in seinem Leben Befehle erteilen durfte. Wenn dem Delinquenten unmißverständlich aufging, sein Schicksal in keiner Weise mehr beeinflussen zu können – daß sich seine Macht in komplette Hilflosigkeit verwandelt hatte –, dann schlugen Schmach und Schande mit vernichtender Gewalt zu. Schon so oft hatte Timmons diesen Effekt beobachtet, bei zivilen Sträflingen und bei Kriegsgefangenen gleichermaßen, und deshalb nie daran gezweifelt, daß Harrington in die gleiche Kategorie gehörte.
Diese Erwartung hatte sich jedoch nicht erfüllt, und das konnte Timmons nicht begreifen. Schon andere Häftlinge hatten vor ihm zu fliehen versucht, indem sie sich in ihre privaten Traumwelten zurückzogen, aber keinem war Erfolg beschieden gewesen. Dazu boten sich stets zu viele Möglichkeiten, die Leute in die Realität zurückzureißen, und diese Methoden funktionierten stets. Nur diesmal nicht. Harringtons Widerstand haftete etwas merkwürdig Elastisches an, als entkräftete sie die Hiebe, die er auf sie niederprasseln ließ, indem sie sich ihnen nicht widersetzte. Auf undefinierbare Weise leistete Harrington gerade durch ihre Weigerung, sich zu widersetzen, den wirksamsten Widerstand, mit dem Timmons sich je konfrontiert gesehen hatte. Zwar versuchte er sich noch immer einzureden, daß er nach einiger Zeit auch diese ›Nicht-Aufsässigkeit‹ überwinden könne, doch tief in seinem Inneren hatte er bereits eingesehen, wie unmöglich es war.
Dabei hatte er alles so sorgfältig vorherberechnet, jede Demütigung minutiös inszeniert. Für den Tod durch tausend Nadelstiche hatte er sich entschieden und ihr mit der Würde auch die Abwehr nehmen wollen. Ihr Selbstvertrauen wollte er ihr entreißen, indem er ihr klarmachte, daß sie ihr Schicksal nicht länger in Händen hielt. Eine Weile glaubte er sogar, Erfolg damit zu haben, doch dann mußte er allmählich feststellen, daß er sich irrte. Was Harrington vor drei Tagen Bergren angetan hatte, bestätigte eindeutig, was Timmons längst klargeworden war: Diesmal würde er keinen Erfolg haben. Über einen T-Monat hatte er sie in der Gewalt gehabt, und da es ihm nicht gelungen war, sie innerhalb dieses langen Zeitraums zu brechen, würde es ihm nie gelingen, wenn er nicht zu härteren Mitteln griff.
Und diese Mittel blieben ihm verwehrt. Am liebsten wäre Timmons mit einer Nervenpeitsche in Harringtons Zelle gestürmt und hätte ausprobiert, wie ihr die stundenlange direkte Stimulation ihrer Schmerzempfindung gefiel. Außerdem kannte Timmons andere, altmodische Techniken – die gröber waren und vielleicht gerade wegen ihrer Grobheit effektiv. Sein ehemaliger Ausbilder, ein InAb-Mann, hatte sie ihm beigebracht. Ransoms Befehl, Harrington nicht zu verletzen, schloß solche Methoden freilich aus. Im stillen fürchtete Timmons sich ein wenig vor der Reaktion der Bürgerin Committeewoman, wenn sie ihr teures Beutestück wiedersah.
Die Vorschriften verlangten, daß Harringtons Implantate abgeschaltet wurden, aber wie hätte Timmons ahnen sollen, was diese Abschaltung mit ihrem Gesicht anstellte? Außerdem hatte er nicht damit gerechnet, daß der Techniker, der die Implantate deaktivieren sollte, sie kurzerhand zum Durchbrennen bringen und jede Wiederherstellung des alten Zustands unmöglich machen würde. Harrington sah aus wie das Opfer eines Schlaganfalls, und darüber würde sich Ransom kaum erfreut zeigen. Daß sie zudem hager und ausgehungert wirkte, würde die Bürgerin Committeewoman wohl erst recht verärgern. Aber daran war er doch nicht schuld! Er hatte Harrington regelmäßig zu essen gegeben! Er hatte sogar
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