Honor Harrington 7. In Feindes Hand
griff nach seinem Degen. »Zeit, daß ich zu Bett gehe. Vermutlich wollen Ihre Gäste bald aufbrechen.« Er schnallte sich den Degen ans Koppel und lächelte. Jeder uneingeweihte Beobachter hätte dieses Lächeln für vollkommen natürlich gehalten. »Gestatten Sie mir, Ihnen Geleitschutz in den Ballsaal zu geben«, sagte er und bot ihr seinen Arm. Honor erhob sich, erwiderte sein Lächeln und setzte sich Nimitz auf die Schulter.
»Vielen Dank, Mylord.« Sie legte ihm in geziemender graysonitischer Manier die Hand auf den Ellbogen, und er führte sie stilvollendet aus der Bibliothek.
Andrew LaFollet schloß sich ihnen an, und seine gelassene Aufmerksamkeit, die völlige Normalität seiner Empfindungen bildeten einen beruhigenden Kontrast zu dem, was Honor noch immer an White Haven wahrnahm – und was sie selbst fühlte –, während sie am Arm des Earls den Korridor durchquerte und beiläufig mit ihm konversierte, als wäre nichts geschehen.
Und es ist schließlich auch gar nichts geschehen , redete sie sich mit fast wildem Nachdruck ein. Als sie wieder in den Ballsaal gelangten, glaubte sie es beinahe selbst.
3
»Guten Morgen, Mylady.«
Honor blickte auf und wandte den Kopf, als müsse sie den Neuankömmling sehen, um ihn zu identifizieren. In Wirklichkeit hatte sie dank Nimitz das Näherkommen White Havens schon bemerkt, bevor der Admiral das sonnenlichtdurchflutete Eßzimmer betrat. Sie zwang sich, ihn zur Begrüßung anzulächeln.
»Guten Morgen, Mylord. Wollen Sie mit uns frühstücken?« fragte sie und wies auf den reichgedeckten Tisch. White Haven erwiderte ihr Lächeln.
»Aber gern«, antwortete er. »Die Pfannkuchen duften köstlich.« Er sprach mit völlig normaler Stimme, in der sich keinerlei Widerhall der Gefühle vom Vorabend fand, und Honor war darüber grenzenlos erleichtert – wofür sie sich umgehend schalt.
»Was Sie da riechen, sind keine Pfannkuchen«, entgegnete sie, und White Haven warf ihr einen fragenden Blick zu. »Es sind Waffeln, und ich fürchte, sie sind fürchterlich schwer – genauso, wie ich sie mag.«
»Waffeln?« White Haven wiederholte das unvertraute Wort, als wolle er es analysieren.
»Stellen Sie sich … nun, knusprige Pfannkuchen vor«, sagte Honor. »Eine traditionelle Speise hier auf Grayson – eine, von der ich wünschte, sie wäre im Sternenkönigreich nicht in Vergessenheit geraten. Auch wenn sie jeden Diätetiker zur Verzweiflung treiben muß. Im Grunde besaß Manticore eine größere Chance als Grayson, das Geheimnis des Waffelbackens nicht zu verlieren, wenn man unsere ersten Besiedlungswellen miteinander vergleicht. Andrerseits haben Sie vielleicht schon bemerkt, daß Graysons ein wenig dickköpfig sein können?« Sie drehte den Kopf, grinste den hinter ihr stehenden Andrew LaFollet an und zwinkerte seiner Schwester schurkisch zu. White Haven nickte ironisch, und die beiden Graysons lachten daraufhin leise. »Nun, im Falle der Waffeln waren die Graysons offenbar fest entschlossen, das Rezept über die Jahrhunderte zu retten. Vielleicht hat es sich dabei ein bißchen geändert – aber wetten würde ich nicht darauf.«
Diesmal fiel White Haven in das Gelächter der LaFollets mit ein. Wenn man den Graysons eine Eigenschaft nicht absprechen konnte, dann Entschlossenheit. Unter anderem hatten sie als einziges Volk der erforschten Galaxis den alten Gregorianischen Kalender bewahrt, obwohl er sich weder auf den planetarischen Tag noch das Jahr anwenden ließ. Wenn also von einem Menschenschlag zu erwarten war, sich die Erinnerung an eine traditionelle Frühstücksspeise zu bewahren, während er mit Hilfe einer erbärmlich limitierten Technik einen katastrophal menschenfeindlichen Planeten kolonisierte, dann von den Graysons.
White Haven schnupperte, nahm gegenüber von Harrington Platz und ließ den Blick über die Frühstücksgesellschaft schweifen. In einem Hochstuhl zu ihrer Rechten saß ihr Baumkater, der gerade mit den Schnurrhaaren zuckte; unmißverständlich begrüßte er den Earl. White Haven nickte ihm höflich zu, dann Samantha, die in einem identischen Stuhl rechts von Nimitz ruhte. Links neben Harrington hatte Miranda LaFollet Platz genommen, und links neben ihr stand ein dritter Hochstuhl für Farragut. Durch die Bindung der Familie Alexander an das Haus von Winton besaß White Haven mehr Erfahrung im Umgang mit ‘Katzen als die meisten Manticoraner. Während der letzten acht oder neun Generationen waren genügend Monarchen,
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