Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Kreuzergeschwader völlig abging, das nämlich dazu ausersehen war, flexibel reagieren zu können.
Vermutlich bekomme ich nie wieder ein besseres Geschwader , begriff Honor plötzlich; außer, ich habe das unverschämte Glück, auch noch ein Schlachtkreuzergeschwader zu kommandieren . Schwere Kreuzer waren kampfstarke Schiffe, zu wertvoll, um sie auf zweitrangige Aufgaben zu vergeuden; zugleich waren sie jedoch klein genug und standen einem Kommandeur zumeist in ausreichender Zahl zur Verfügung, daß er den Verlust eines Schlachtkreuzers durchaus riskieren und das Geschwader hart rannehmen konnte. Für Geschwader wie das ihre gab es immer etwas zu tun, und wer es kommandierte, genoß ein Maß an Freiheit und Unabhängigkeit von übergeordneten Befehlsstellen, wie kein Wallschiff sie jemals kennenlernte. Großkampfschiffe blieben an strategisch lebenswichtigen Punkten massiert, aber Kreuzer waren nicht nur die Augen und Ohren einer Flotte, sondern auch ihre Fingerspitzen. Man stellte eher Kreuzer für unabhängige Operationen ab als alles andere, und Honor freute sich schon darauf, ihre Schiffe zu einer zusammenhängenden Streitmacht zusammenzuschmieden, die sie mit gleicher Selbstverständlichkeit und Eleganz führen konnte wie ihr Schwert von Harrington.
Sie mußte über sich selbst lächeln. Mit dem Sessel fuhr sie herum und wandte den Displays den Rücken zu, um ihren Stab zu betrachten. Für die regelmäßige Morgenbesprechung war sie eine halbe Stunde zu früh dran, und die meisten ihrer Offiziere waren mit Routineaufgaben beschäftigt oder stellten die letzten Daten zusammen, die sie auf anberaumten Besprechungen präsentieren würden.
Wie die Schiffe des Geschwaders spiegelte auch ihr Stab die gemischte Natur der 8. Flotte wider, zu der sie gehören würden. Anders als im Falle des 1. Schlachtgeschwaders hatte Honor diesmal jeden einzelnen Angehörigen des Teams ausgewählt, entweder auf Grundlage der persönlichen Bekanntschaft oder auf Anraten von Commodore Justin Ackroyd, dem gegenwärtigen Leiter des Amts für Personalfragen der GSN.
Venizelos kannte sie natürlich sehr gut, und ihr Blick haftete mit sorgsam verhohlener Zuneigung auf ihm, als er sich über Lieutenant Commander McGinleys Schulter beugte, um mit dem weiblichen Operationsoffizier über die Daten auf dem Display zu diskutieren. Honor hörte ihn leise, aber präzise murmeln und mußte wieder lächeln, als sie sich an den verschlossenen, beinahe verzweifelt distanzierten Lieutenant dachte, den sie vor so vielen Jahren mit nach Basilisk Station genommen hatte. Seitdem hatte er sich sehr verändert, war jedoch so graziös und gutaussehend geblieben wie damals. Unter der generell kleinwüchsigen Bevölkerung Graysons bedeutete seine geringe Körpergröße kein Problem. Wahrscheinlich wünschte er sich manchmal, größer zu sein. Angesichts der Tatsache, daß auf Grayson dreimal so viele Frauen zur Welt kamen wie Männer, waren die Frauen – auf ihre ganz eigene, sehr unauffällige Weise – erheblich aggressiver als im Sternenkönigreich, und nach allem, was Honor von MacGuiness erfahren hatte, mußte sich Venizelos manchmal die schönen Töchter Graysons mit einem Knüppel von Leib halten.
Honor unterdrückte ein unangemessenes Auflachen und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Operationsoffizier zu. Wie Venizelos stammte auch Marcia McGinley von Manticore, doch anders als er oder Honor trug sie graysonitische Uniform. Der braunhaarige, grauäugige weibliche Lieutenant Commander mit dem gepflegten Äußeren war noch keine siebenunddreißig, aber wie viele andere manticoranische ›Ausgeliehene‹ im Dienst der GSN (einschließlich einer gewissen Honor Harrington) war sie in ihrer neuen Navy rasch die Rangleiter hinaufgeklettert. Außerdem war sie laut Commodore Ackroyd sehr gut in ihrem Job. Aus diesem Grunde hatte der Commodore McGinley persönlich aus drei möglichen Kandidaten ausgesucht, um mit ihr den Posten von Honors Operationsoffizier zu besetzen. Nach allem, was Honor bisher wußte, hatte er mit seiner Einschätzung richtig gelegen, und es sah ganz so aus, als würden bei diesem Operationsoffizier auch nach Dienstschluß noch die Funken fliegen.
Commander Howard Latham, Honors Signaloffizier, war der älteste graysonitische Stabsangehörige, und er war (für einen Grayson) zu alt für seinen Rang – ebenso wie McGinley (für eine Manticoranerin) zu jung war für den ihren. Nicht etwa, daß seine Dienstakte schwarze Flecke aufgewiesen
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