Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Navy Military Transport Command, das aus mittelgroßen Schiffen bestand und dazu diente, eilige Frachten auszuliefern, bei denen es darauf ankam Zeit zu sparen, oder mögliche Kampfzonen zu versorgen. Im Zuge der Bemühungen, den Frachttransport zu beschleunigen, hatte man die Schiffe für das JNMTC auf Flottenwerften überholt, wann immer auf graysonitischen oder manticoranischen Einrichtungen eine Aufschleppe frei wurde. Es hatte zuwenig Zeit zur Verfügung gestanden, um die zivilen Impeller und Trägheitskompensatoren zu ändern, doch waren alle Rümpfe mit leichten Seitenschilden und Raketenabwehrsystemen ausgestattet worden. Die Ortungsanlagen wurden verbessert und durch Eloka-Systeme ergänzt. Außerdem installierte man militärtaugliche Hypergeneratoren auf den Schiffen, so daß sie immerhin bis hoch in die Eta-Bänder transistieren konnten. Die meisten Frachter waren auf Marschfahrt in den Delta-Bändern ausgelegt, so daß die neuen Generatoren die Scheingeschwindigkeit der JNMTC-Schiffe schlagartig verdoppelten.
»Trotzdem dauert die Rundreise etwa zwo T-Monate«, erklärte Matthews, »oder länger, wenn es in den Haltesystemen zu längeren Wartezeiten kommen sollte. Deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen, bevor ich Lady Harrington für diesen Auftrag einteile. In vielerlei Hinsicht eignet sich ihr Geschwader für diese Aufgabe hervorragend. Es liegt ein Viertel unter Sollstärke, aber es wird noch wenigstens einen Monat dauern, bis die fehlenden Schiffe eintreffen. Sechs Schwere Kreuzer sollten dem Konvoi hinreichenden Schutz bieten. Gerade weil ich nicht damit gerechnet hatte, daß sie ihr Kommando so früh übernimmt, hatte ich ihre Schiffe für keinerlei andere Aufgaben eingeteilt, so daß ich sie nun abziehen könnte, ohne damit irgendwo ein neues Loch zu reißen. Und ein Routineauftrag wie dieser Geleitdienst böte Lady Harrington eine gute Gelegenheit, ihren Besatzungen und ihrem Stab den letzten Schliff zu geben. Aber weil der Termin, an dem Sie Ihren Flottenstab einberufen, noch unsicher ist, wollte ich mich mit Ihnen abstimmen, bevor ich eine Ihrer zukünftigen Einheiten für so lange abkommandiere.«
»Ich verstehe. Und ich bedanke mich für Ihre Rücksichtnahme, Sir«, antwortete White Haven und massierte sich nachdenklich das Kinn. Dabei gibt’s doch gar nicht viel nachzudenken , sagte er sich. Bevor ich die Achte Flotte offiziell ins Leben rufe, gehören die Schiffe Matthews. Und er hat recht – er findet für diese Aufgabe niemand geeigneteren. Warum also stört mich seine Bitte so?
Innerlich runzelte er die Stirn und versuchte dieser Frage auf den Grund zu gehen. Die offensichtliche Erklärung lag natürlich in Matthews’ Bemerkung über die Knappheit von Kreuzern; wie jedem anderen Flottenchef mißfiel auch White Haven der Gedanke, eins seiner Kreuzergeschwader zu detachieren. Doch so sehr er sich versucht fühlte, diese Erklärung als Grund für sein Zögern vorzuschieben, wußte er doch, daß er sich damit selbst belogen hätte. Dabei wäre Harringtons Geschwader überhaupt nicht lange fort , dachte er. Hochadmiral Matthews hatte zwar recht: Das Zusammenziehen der 8. Flotte ging verhältnismäßig schnell vonstatten, aber trotzdem dauerte es noch wenigstens drei oder vier Monate, bevor die Achte sich gegen Barnett in Marsch setzen konnte. Für einen Offizier von Harringtons Kaliber mehr als genug Zeit, die Geleitmission zu erfüllen, die übrigen Schiffe in Empfang zu nehmen und sich in aller Ruhe auf ihrem Platz im Organisationsplan der Achten einzufinden.
Warum also machte er sich darüber solche Gedanken? Er brütete noch über dieser Frage, obwohl sich ihm die Antwort bereits aufgedrängt hatte; gegen diese Antwort sträubte er sich allerdings, denn er fühlte sich bereits schuldig.
Als er sich das eingestand, seufzte er innerlich. Er wußte nicht genau, was er getan hatte; doch er wurde den Gedanken nicht los, daß er irgendwie an Honor Harringtons überstürzter Flucht aus Harrington House schuld sei. Sie hatte ihm weder durch Worte noch durch Taten einen Grund für die Gewißheit gegeben, die er in dieser Hinsicht empfand; aber er hatte an ihr eine Anspannung bemerkt, die anfangs noch nicht vorhanden gewesen war, ein … Unbehagen in seiner Gegenwart. Was immer genau es war, begonnen hatte es jedenfalls an jenem Abend in der Bibliothek. Der Earl rieb sich das Kinn noch härter, um vor Matthews zu verbergen, wie sich seine Kiefermuskeln unwillkürlich verkrampften, während er
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