Honor Harrington 7. In Feindes Hand
gelegentlich die Hände geschüttelt oder sie an der Schulter oder am Ellbogen berührt, ansonsten jedoch hatte er sie niemals angefaßt, und doch regte sich tief in ihm dieses merkwürdige Gefühl für sie, wie es sich für keine seiner Geliebten je geregt hatte. Das beängstigte White Haven. Sich an eine andere Frau zu wenden, um von ihr die körperliche Intimität zu erhalten und ihr zu geben, die er mit Emily nicht mehr teilen konnte, war eine Sache; sich zu einer anderen Frau mit solcher Macht hingezogen zu fühlen, etwas anderes – etwas Dunkles, Beängstigendes. Besonders, wenn diese Frau nicht nur gerade mal halb so alt war wie er, sondern auch noch ein untergebener Offizier. Aus jeder erdenklichen Perspektive konnte Honor Harrington niemals etwas anderes für ihn sein als ein Offizierskamerad, und das wußte White Haven genau.
Aber im Grunde willst du es nicht glauben, Hamish, habe ich recht? fragte ihn sein erbarmungsloses Gewissen. Wenn das stimmt und sie es gemerkt hat, dann hat sie recht daran getan, zwischen euch beiden Abstand zu schaffen. Und wo wir schon dabei sind, Mylord, was zum Teufel gedenkst du nun eigentlich deswegen zu unternehmen? Wirst du zulassen, daß du dich wie ein vom Testosteron beherrschter Jüngling benimmst, oder willst du dich daran erinnern, daß du Offizier der Königin bist – so wie sie auch?
White Haven bemerkte plötzlich, daß Matthews ihn sehr durchdringend anblickte, und schüttelte den Kopf, als wollte er eine lästige Fliege verscheuchen. Ohne Zweifel fragte sich Matthews, was mit ihm los war. Der Hochadmiral hatte eine klare Bitte geäußert, die Geleitmission war unproblematisch, und da das 18. Kreuzergeschwader im Moment noch Matthews unterstand, bedeutete diese Besprechung nicht viel mehr als eine kleine höfliche Aufmerksamkeit unter Offizierskameraden.
»Verzeihen Sie, Sir«, entschuldigte sich der Earl. »Ich fürchte, ich begann schon damit, Schiffe hin und her zu schieben, und habe den Faden verloren. Soweit es mich betrifft, sind Lady Harrington und ihr Geschwader eine ausgezeichnete Wahl für die Aufgabe, die Sie mir beschrieben haben. Selbstverständlich hätte ich sie gern wieder hier, wenn wir die Flotte endlich ins Leben rufen. Trotz Lady Harringtons verhältnismäßig untergeordneten manticoranischen Ranges beabsichtige ich, sie bei der Koordination und der Einsatzplanung unserer Flankensicherung eine entscheidende Rolle spielen zu lassen; auf diese Weise ziehe ich auch besten Nutzen aus ihrem Rang bei der GSN. Aber dazu ist nach ihrer Rückkehr noch immer genügend Zeit. Ich bin Ihnen natürlich dankbar, daß Sie mich über Ihre Absichten informiert haben und habe keine Einwände gegen Ihre Pläne.«
»Vielen Dank, Mylord.« Matthews erhob sich, streckte den Arm aus und führte den Earl zur Tür, wo sie einander wieder die Hände schüttelten. »Ich nehme an«, fügte der Grayson mit sarkastischem Lächeln hinzu, »daß ich mich ein wenig schuldig fühle, Ihnen Lady Harrington kurzerhand abspenstig zu machen. Das ist wahrscheinlich der eigentliche Grund, weshalb ich Sie sprechen wollte. In keiner Navy hat man je genügend gute Offiziere, aber wenn man jemanden wie sie bekommen kann, dann …« Er zuckte mit den Schultern. »Jeder Admiral, den ich kenne, würde sich zerreißen, um sie in die Hände zu bekommen.«
»Das meine ich auch, Sir«, stimmte White Haven ihm zu. Und wenn sie wieder da ist , dachte er, hat ein gewisser Admiral vielleicht wieder seine Sinne beisammen und begriffen, daß er die Hände in den Taschen lassen muß, soweit es Lady Harrington betrifft!
8
»Also schön, Freunde – zeigt mal ein wenig Begeisterung ! Wir haben ein paar Manties in den Arsch zu treten!«
Bürger Konteradmiral Lester Tourville grinste wild, und sein dichter Schnurrbart sträubte sich aggressiv. Für die meisten hohen Offiziere der Volksflotte war ›Überleben durch Anpassung‹ zur Devise geworden, doch Tourville hatte stets eine eigenwillige Natur besessen, und das würde auch immer so bleiben – beinah war er schon eine Karikatur seiner selbst. Sein Aufstieg vom Captain zum Konteradmiral konnte nicht anders denn als kometenhaft bezeichnet werden; gleichzeitig wußte er jedoch, daß für ihn die Wahrscheinlichkeit, jemals auf einen höheren Rang befördert zu werden, im Grunde gleich Null war. Das belastete ihn indes nicht sonderlich. Die meisten seiner farbenfrohen Manierismen mochten absichtliche Verstellung sein, doch hinter der
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